Mit der Lektüre der Romanreihe rund um den Magier Harry Dresden in Chicago habe ich erst spät begonnen, sodass ich auch jetzt erst den dritten Band beenden konnte und noch einige Bände vor mir liegen. Das nun ausgelesene Buch unter dem deutschen Titel Grabesruh bringt den Magiekundigen Dresden in Kontakt mit Geistern, die aus dem Niemalsland in die gegenwärtige Welt der Menschen vordringen und gehäuft für Unruhe sorgen. Doch bei den Geistern alleine bleibt es nicht, denn schon bald wird dem Magier klar, dass hinter den zahlreichen Störungen etwas persönliches steckt.
Harry Dresden ist ein Magier, der mit einem eigenen Eintrag in den Gelben Seiten verzeichnet ist und als eine Art Privatdetektiv seine magischen Fähigkeiten zur Verfügung stellt. Gelegentlich wird er auch von einer Sondereinheit der Polizei als Berater herangezogen, wenn es Verbrechen aufzuklären gilt, deren Gestalt sich mit herkömmlichen Mitteln nicht erschließen lässt. Doch es scheint viel häufiger der Fall zu sein, dass Dresden sich mit größeren Ereignissen auseinandersetzen muss, als der Suche nach verlorenen Gegenständen.
Der Leser wird auf den ersten Seiten des Romans bereits in das Geschehen geworfen und zwar so unvermittelt, dass ich mich dabei ertappt habe mehrfach auf das Cover zu schauen, ob ich auch wirklich im dritten und nicht möglicherweise bereits im vierten oder fünften Band gelandet bin. Das Gefühl etwas verpasst zu haben bliebt leider auch eine geraume Weile beim Lesen und baut sich dann aber über die ersten 150 Seiten ab. 150 Seiten übrigens, die ich nicht wirklich als fesselnd betrachtet habe. Vielleicht lag es aber auch schlichtweg daran, dass ich mir nach dem zweiten Band der Harry Dresden Reihe tatsächlich zwei Jahre Zeit gelassen habe (lassen musste), bevor ich mich mit Grabesruh auseinandersetzen konnte.
An Handlung mangelt es im ersten Drittel des Buchs keineswegs. Geister, Dämonen, Vampire – es wird alles geboten, was ein Urban Fantasy Roman benötigt. Zahlreiche Charaktere der ersten Bände tauchen (erwartungsgemäß) konsequent auf, bzw. Rückgriffe auf Ereignisse in den vorausgegangenen Werken existieren zur Genüge. Tatsächlich schließt Grabesruh inhaltlich auch sehr dicht an das vorangegangene Werk von Jim Butcher an.
Die Kräfte des Magiers Harry Dresden sind immer noch überschaubar, so dass er nicht der übermächtige Superheld ist, der jeder übersinnlichen Gefahr trotzt, eher im Gegenteil: durch den Angriff eines Dämons wird er einem großen Teil seiner Kräfte beraubt und ist einmal mehr auf die Hilfe seiner Freunde, in diesem Fall der gottesfürchtige Michael, angewiesen. Doch zugleich sehe ich hier auch eine Schwäche im Roman, denn nachdem ein Dutzend mal betont wurde, dass Harry an die Grenzen seiner magischen Fähigkeiten gegangen ist und seine magischen Ressourcen erschöpft sind, er dann aber ein weiteres mal zu einem der stärksten Zauber greift, die er im Repertoire hat, wird das Ganze unglaubwürdig.
Ähnlich fragwürdig stellen sich die weiblichen Figuren in Butchers Werk dar. Nahezu jede Frau, die Harry Dresden in Grabesruh begegnet, wird als erotische Schönheit beschrieben. Seine Patentante Lea, die Vampirbaronin Bianca, Justine, die Freundin von Thomas, Kelly, etc. – eine ist sexuell anziehender als die andere. Von unattraktiven oder hässlichen Mit- und Gegenspielerinnen ist nicht die Rede, so dass mir auch hier ein wenig die Balance fehlt.
So richtig mitgerissen hat mich Dresdens krampfhafte Suche nach dem Gegenspieler, der sich an ihm und seinem Freund Michael rächen will, nicht. Während sich die erste Hälfte des Romans ziel- und orientierungslos anfühlte, kam bei mir die Spannung erst ab Seite 200 auf, also rund einhundert Seiten vor Schluss.
Titel | Grabesruh |
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Autor | Jim Butcher |
Originaltitel | Grave Peril |
Reihe | Die dunklen Fälle des Harry Dresden (Band 3) |
Verlag | Feder & Schwert |
Seiten | 437 |
ISBN-10 ISBN-13 | 3867621136 |
Preis | 12,99 € |
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Meine Einschätzung | |
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Inhalt (60 %) | |
- Spannung (50 %) | |
- Originalität (15 %) | |
- Nachvollziehbarkeit (15 %) | |
- Schluss (20 %) | |
Sprache (15 %) | |
Layout (9 %) | |
Fehler (9 %) | |
Verarbeitung (4 %) | |
Cover (3 %) | |
Gesamtbewertung | 1.8 / 4 = 46 % bedingte Empfehlung Skala: 0 - 4 Sterne mehr dazu Amazon Äquivalent: 3.4 Sterne |
Fazit
Ich tu’ mich schwer mit einer Einschätzung des Werks. Dass die Geschichte nicht von vornherein durchschaubar war, hat mir gefallen, wenngleich die diversen Wendungen bei der steten Hoffnung auf fesselnde Abschnitte in den Hintergrund treten. Die einseitigen Beschreibungen des immer am Boden liegenden Protagonisten und die hohe Zahl an weiblichen Supermodels bessern dies leider auch nicht auf. In der mir vorliegenden dritten Auflage (2016) befanden sich ein gutes Dutzend an Druckfehlern und die Schriftgröße ist für meine alten Augen mittlerweile zeitweise zu anstrengend. Gut fand ich die konsequente Weiterentwicklung der Welt rund um Harry Dresden, die Vernetzung mit den vorangegangenen Werken, aber inhaltlich hat dann doch etwas gefehlt bei Jim Butchers Grabesruh .
Und dennoch werde ich versuchen mir für den vierten Teil der Reihe, Feenzorn , diesmal keine zwei Jahre Zeit zu lassen, nicht nur weil der Band schon auf dem Stapel liegt, sondern weil der Cliffhanger dann doch zu fordernd ist.
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Falls es hilft: so richtig mitgerissen hat mich die Reihe erst nach Einführung der Feenwelt im von dir genannten Feenzorn. Danach steigert sich die Serie weiter, wobei sie jetzt für mich nie 5-Sterne Niveau erreicht. Die Schwächen, z.B. mit dem Frauenbild, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bücher. Ansonsten aber gute Popcorn-Lektüre, IMHO.
Das ging mir ganz wie Kadomi: So richtig, richtig gut wird die Reihe erst ab Band 4. Vorher lesen sich die Romane alle noch eher wie eigenständige Einzelromane, aber ab Band 4 kommt dann das große Ganze zum Vorschein (auch wenn natürlich jeder Band weiterhin seinen eigenen, alleinstehenden Plot hat). Die ersten 3 Bücher habe ich unter “naja halt so ganz nett, typischer supernatural detective eben” verbucht, aber ab dem vierten Band wurde es grandios. (Da finde ich die Reihe also tatsächlich besser als Kadomi, wobei sie mit dem Frauenbild größtenteils recht hat. Es kommen schon ein paar durchschnittlich aussehende Frauen vor, aber die sind klar in der Minderheit.)
Was den ständig am Boden liegenden Protagonisten angeht, der dann doch wieder die stärksten Zauber raushauen kann, haben wir dafür in unserer Dresden Files-Spielrunde übrigens eine (augenzwinkernde) Begründung gefunden.
Das Dresden-Verse ist als Rollenspiel doch mit Fate umgesetzt. Und das passt wie die Faust auf’s Auge, denn auch Harry Dresden selbst ist eben ein Fate-Charakter. Dass er ständig auf die Nase bekommt, bevor er am Ende doch richtig draufhaut, ist also nur folgerichtig: Erstmal muss er Fatepunkte sammeln, sprich seine Aspekte reizen lassen, damit er die gesammelten Fatepunkte am Ende raushauen und damit richtig rocken kann.
Zumindest erklären wir uns das immer so, wenn wir wieder einmal (freundlich – wir mögen die Buchreihe alle sehr, sonst würden wir das RPG wohl nicht spielen) über genau diesen Effekt lästern. (Aber bei unseren eigenen Charakteren ist Harry Dresden auch überhaupt nicht hoch angesehen – wir spielen zwar in Miami, und unsere Abenteuer haben trotz der identischen Titel überhaupt nichts mit den Romanhandlungen zu tun, aber einen Telefonkontakt mit dem Charakter Harry Dresden hatten wir im Spiel trotzdem schon einmal, und der lief überhaupt nicht gut. Seitdem ist Dresden bei unseren Charakteren als Arschloch unten durch.)