Das erste mal kam ich in den 90ern mit Soylent Green in Kontakt und zwar über ein Foto, dass sich damals zur Schulzeit in unseren Englischbüchern befand. Es handelte sich dabei um eine schwarz-weiß Aufnahme, die eine Szene aus dem Film von 1973 zeigte in der eine Art Müllfahrzeug mit einer großen Schaufel Menschen aus einer großen Ansammlung wahllos in den Container beförderte. Dieses verstörende Bild in einem Schulbuch mit nur wenig mehr Informationen als dem Hinweis auf den gleichnamigen Film, veranlasste mich immerhin damals nach dem Werk ausschau zu halten.
Nachdem ich den Film zwischenzeitlich schon mindestens zwei mal zu späten Nachtzeiten im Fernsehprogramm sehen konnte, hatte ich nun, also 43 Jahre nach Erscheinen des Films, auch einmal die Möglichkeit den Roman, auf dem der Film basiert, in deutscher Sprache lesen.
Harry Harrison schrieb den dystopischen Roman unter dem Originaltitel “Make Room! Make Room!” bereits 1966 und entwarf in ihm eine fiktive Zukunft im New York des Jahres 1999. Aus heutiger Sicht also bereits 17 Jahre zurück hinterlässt die Zukunftsvision hinsichtlich der technischen Möglichkeiten an vielen Stellen ein mildes Lächeln. Doch da es inhaltlich weniger ein klassischer Science Fiction Roman ist, treten diese Schwächen rasch in den Hintergrund zurück.
Die Welt im Jahre 1999 hat sich angesichts eine gewaltigen Überbevölkerung verändert. Die Ausbeutung fossiler Ressourcen haben sich dabei fast noch als unproblematisch dargestellt, viel mehr ist es der Kampf um das tägliche Brot, dass die 35 Millionen Menschen alleine in New York beschäftigt. Fleisch ist nur noch für die elitäre Oberschicht verfügbar, Getreide- und Sojaprodukte nicht minder. Vielmehr wird die Bevölkerung durch künstliche Nährstoffe am Leben erhalten, die auf algen- oder planktonbasis basieren, im besten Fall geschmacklos aber wohl immerhin nahrhaft sind.
Die Zivilisation hat sich in den drei Jahrzehnten in drei Schichten aufgeteilt, diejenigen, die auf der Straße vegetieren, einer einfachen Mittelschicht, die sich immerhin in eigenen vier Wänden aufhalten kann und der elitären Oberschicht bestehend aus Politikern, Kriminellen und einigen Amtsträgern, die in abgeschotteten Luxusappartements wohnen. Der Protagonist des Romans, Andy Rusch, ist ein Ermittler der Kriminalpolizei und der einfachen Mittelschicht zuzuordnen. Er kämpft mit seinen Kollegen einen verzweifelten Kampf hinsichtlich der täglichen 5 bis 10 Morde in der Stadt. Letztlich bleibt der Polizei nur das Festhalten der Todesumstände, weitergehende Ermittlungen sind nur in Fällen möglich, in denen es eindeutige Zeugenaussagen oder Indizien gibt.
Strom ist im Jahre 1999 stark rationiert, fließendes Wasser oder eine Gasversorgung längst nicht mehr gegeben. Wasser muss für teures Geld erworben werden und wird nur zum Trinken verwendet, Körperhygiene kann sich kaum noch ein Mensch leisten. Zum Kochen oder Heizen wird wieder auf offene Feuerstellen zurückgegriffen, so denn Festbrennstoffe verfügbar sind. Im ersten Teil des Romans quälen sich die Menschen in New York durch eine Hitzewelle mit wochenlangen Temperaturen um die 40 Grad, die darauffolgenden Herbst- und Wintermonate zeigen sich ebenso von der extremen Seite.
Technologisch ist die Welt am ebenfalls am Boden. Es gibt zwar noch zeitweise Strom oder dieser wird durch reine Muskelkraft erzeugt und mit ihm können alte Röhrenfernseher und Licht betrieben werden, einige wenige Telefonanschlüsse sind auch noch vorhanden, doch ansonsten ist die Menschheit wieder auf Schiefertafeln, Kreide, Rikschas und Botenjungen zurückgekehrt.
Nach einer kurzen Einordnung der neuen Zeit und Vorstellung der Protagonisten, ist Rush mit der Aufnahme eines Mordfalls beauftragt. Opfer ist ein Mitglied der Oberschicht, Mike O’Brien, ein bekannter Gangster, um den niemand wirklich trauert. Doch einzelne Indizien in diesem Fall machen andere Mitglieder der gehobenen Gesellschaft nervös und so darf der Fall nicht einfach zu den Akten gelegt werden, sonder Rusch muss weiter ermitteln. Rusch kommt erstaunlich schnell auf die richtige Spur, verliert sich aber selber in die angenehme Lebensweise, die die Oberschicht genießt. Fließendes Wasser, echtes Fleisch und eine äußerst attraktive Frau, die ihm auch noch angetan ist. Die Aufklärung des Mordfalls rückt immer weiter in den Hintergrund, denn weitere Rationierungen führen zu enormer Unzufriedenheit in der Bevölkerung und Sondereinsätze für die Polizei.
Der Film von 1973 mit Charlton Heston und das vier Jahre ältere Buch unterscheiden sich in einigen Punkten. Der Film versetzt die Handlung noch einmal 21 Jahre weiter in die Zukunft und spielt im Jahre 2022, klassifiziert Shirl Greene zum “Inventar” der Wohnung und bestimmt Menschenfleisch zur geheimen Hauptzutat des neuen Nahrungsmittels Soylent Green. Auch Sol ist im Film eine andere Rolle zugewiesen so dass im Film bei gleicher ausgangslage eine gänzlich andere Geschichte erzählt wird, als dies der Roman tut. Insbesondere von dem kannibalistischen Ansatz des Films hatte sich Harrison distanziert.
Der Roman ist spannend, auch wenn alle Parameter der Kriminalgeschichte bereits zu Beginn des Buchs bekannt sind. Die düstere Perspektive, die die stetig zunehmende Weltbevölkerung mit sich bringt, ist drückend, gut beschrieben und kaum von der Hand zu weisen. Technisch hat das Buch in der übersetzten Fassung des Mantikore Verlags leider ein paar Mängel, die ich trotz aller Begeisterung nicht vorenthalten mag, da sie das Lesevergnügen durchaus beeinträchtigen können. Die erste Auflage strotzt nur wieder so vor Rechtschreibfehlern und einer Satzgestaltung, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Mir ist die Originalfassung in englischer Sprache nicht bekannt, doch ein Satzkonstrukt mit vier oder fünf aufeinanderfolgenden Relativsätzen und einer damit einhergehenden Länge von mehr als 7 Zeilen ist kein Merkmal guten, flüssigen Schreibstils. Es ist wahrscheinlich wenig hilfreich den Übersetzer auch gleichzeitig das Lektorat übernehmen zu lassen.
Die Covergestaltung der deutschen Ausgabe ist für mich nicht erklärlich und irritierend, denn der grün triefende Kekstotenschädel passt vielmehr zu einem Horrorroman mit Zombies als zu diesem dystopischen Werk.
Ein aktuelles Nachwort von Harry Harrison ist dem Werk auch beigefügt, in dem er auf sein mittlerweile 50 Jahre altes Werk zurückblickt.
Fazit
Soylent Green gehört für mich zu den Werken, die man eigentlich einmal gelesen haben sollte und reiht sich hinsichtlich der düsteren Perspektive nahtlos in Welten wie bei Blade Runner, Fahrenheit 451 und Co. ein. Es ist zu hoffen, dass sich die Neuauflage des Klassikers gut verkauft und eine zweite, fehlerbereinigte Auflage möglich wird. Ein wenig in die Jahre gekommen ist das Buch allerdings immer noch empfehlenswert für alle, die keine Angst vor düsteren Zukunftsperspektiven haben und durchaus geneigt sind auch einmal zwei Gedanken mehr auf den Hintergrund einer guten Story zu verwenden.Bezugsquellen
Titel | Soylent Green |
Autor | Harry Harrison |
Originaltitel | Make Room! Make Room! |
Verlag | Mantikore Verlag |
Seiten | 312 |
ISBN-10 ISBN-13 | 3939212369 978-3939212362 |
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Preis | 13,95 € |
Die deutschsprachige Ausgabe des Romans “Make Room! Make Room!” von Harry Harrison ist unter dem Titel “Soylent Green” im Mantikore Verlag erschienen und bei Amazon oder jedem anderen Buchhändler für 13,95 € erhältlich.
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