Das Feuer des Mondes

Absolut pünktlich zum Erscheinungstermin und damit noch rechtzeitig zu Weihnachten konnte ich mir in der Buchhandlung meines Vertrauens das vorbestellte Exemplar des Fantasy-Spielbuchs “Das Feuer des Mondes” von Christian und Florian Sußner abholen. Nachdem dem ersten Weihnachtstrubel fand sich dann zu später Stunde endlich die Zeit in das Abenteuer einzusteigen.

Bei einem Spielbuch handelt es sich nicht um einen klassischen Roman der von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen wird, sondern die Geschichte ist interaktiv gestaltet. Hierzu wurde die Erzählung in eine Vielzahl kleiner, nummerierter Abschnitte aufgeteilt. Am Ende eines jeden Abschnitts sind dann durch den Leser, bzw. Spieler Entscheidungen zu fällen. In Abhängigkeit von eben dieser Entscheidung, dem Ausgang von Zufallsereignissen oder Kämpfen gegen Gegnern (auch hier ist das Resultat nicht vorbestimmt) wird auf eine neue Abschnittsnummer verwiesen. Neben dem Buch benötigt der Leser also auch noch einen Würfel und einen Bleistift um in den Genuss des Abenteuers zu gelangen.

Der Mantikore-Verlag hat eine Reihe dieser Spielbücher im Programm. Gestartet wurde das Portfolio mit einem Klassiker aus den 80er Jahren Einsamer Wolf von Joe Dever. Lange Zeit sind diese Spielbücher von ihren Nachfolgern (Computerspielen) verdrängt worden und so gut wie vom Markt verschwunden. Doch mit dem Mantikore Verlag hat sich nun wieder ein Verlag gefunden, der den Mut hat dieses Segment auch mit frischen Werken zu bedienen.

Reiter der schwarzen Sonne: Ein Fantasy-Spielbuch
Nach dem sehr umfangreichen “Reiter der schwarzen Sonne” von Swen Harder ist nun “Das Feuer des Mondes” erschienen.

Bereits auf der Hausmesse des Verlags, der Manticon im Herbst 2014 konnte ich eher zufällig mit den beiden Autoren über sie und das anstehende Werk plaudern. Somit erwartete ich das Buch bereits mit einiger Spannung, aber auch mit gewisser Sorge, denn ein Spielbuch zu erstellen ist eine große Herausforderung. Es Bedarf nicht nur einer gewissen schriftstellerischen Fähigkeit, sondern viel mehr auch den Überblick über eine enorme Zahl an möglichen Handlungsträngen zu bewahren. Da der Spieler über unterschiedliche Wege zu einem Textabschnitt gelangen kann, muss dieser textuell so gestaltet sein, dass er unabhängig von der Vorgeschichte dennoch passend ist und den Leser nicht mit Redewendungen oder Inhalten und Handlungen überrascht, die er in Ermangelung einer vorausgesetzten Episode nicht versteht oder erlebt hat. Auch hatte der Verlag in der Vergangenheit einige Missgriffe mit seinem Lektorat gehabt. Doch dieses mal sollte ich positiv überrascht werden.

Das Feuer des Mondes: Ein Fantasy-Spielbuch
Doch nun zum Abenteuer selber: Der Leser, bzw. Spieler schlüpft in die Rolle eines jungen Nachtwächters in der Stadt Waldheim. Am Ende seiner Schicht wird er Zeuge eines Überfalls einer ungewöhnlichen Gestalt auf einen Boten. Nachdem er diesem das Leben rettet wird er von dem Verletzten gebeten die Nachricht noch dem Empfänger zuzustellen. Es handelt sich hierbei um eine Warnung, denn finstere Mächte sind auf dem Weg zur Stadt Waldheim, bzw. haben diese bereits infiltriert. Und nun ist auch der Spieler in Gefahr, denn jeder, der von dieser Bedrohung weiß, wird von den Schattendienern der bösen Mächte verfolgt. Es gibt vermutlich kein einfaches Entrinnen und so muss der Leser sich auf ein Abenteuer durch die umliegenden Wälder machen.

Das Spielbuch selber ist in drei Teile, Bücher genannt, aufgeteilt. Im ersten Buch sind Begebenheiten und Handlungen in der Stadt Waldheim zu finden. Buch zwei beinhaltet Abenteuer in den südlichen, Buch drei in den nördlichen Wäldern. Die sehr überschaubaren Spielregeln werden separat aufgeführt, sind jedoch so gestaltet, dass auf sie sukzessive im Verlauf des Abenteuers verwiesen wird, so dass der Leser Schritt für Schritt an die Regeln herangeführt wird. Auf diese Weise kann man schnell in das Abenteuer einsteigen und muss sich nicht erst mit komplexen Regeln auseinandersetzen. Die Spielregeln selber sind insgesamt so überschaubar, dass sie auf nicht einmal 8 Seiten zusammengefasst sind und selbst für Neueinsteiger in die Spielbuch- oder Rollenspielwelt geeignet sind.

Gleich zu Beginn des Abenteuers wählt der Spieler einen Spielstil. Dabei kann er entweder die kämpferische Linie (Wege der Krallen) oder eine eher magisch/mystische Variante (Wege der Schwingen) wählen. Abhängig von dieser Wahl werden die Fähigkeiten und Parameter des Spielercharakters bestimmt, die Einfluss auf Entscheidungen und Ereignisse haben können. Letztlich durchlebt der Spieler jedoch das “gleiche” Abenteuer, unabhängig von der Wahl des Spielstils. Eine komplexe und individuelle Gestaltung des Charakters gibt es hier allerdings nicht, was mir persönlich auch nicht gefehlt hat. Eine gewisse Varianz ergibt sich durch einige Rätsel, die es zu lösen gilt. Ist der Spieler hierbei erfolgreich, so erhält er einen Bonus hinsichtlich seiner Lebenspunkte. Nachteilig hierbei ist, dass das Rätsel nur ein mal gelöst werden kann. Wenn man das Buch also ein zweites Mal durchspielen möchte, kennt man des Rätsels Lösung schon.

Für meinen ersten Durchgang habe ich die Wege der Schwingen gewählt, mich an meine Sonderfertigkeiten jedoch immer wieder viel zu spät erinnert (nämlich dann, wenn ich aus dem letzten Loch pfeifend über meinen toten Gegner stehe und mir meine Wunden lecke). Durch eine glückliche Wahl am Eingang des südlichen Waldes, dem Fey, und konsequentem Folgen von entsprechenden Hinweisen konnte ich das Teilziel schon recht bald erreichen. Und dies, obwohl ich parallel noch eine Tabellenkalkulation für die Verwaltung meiner Lebenspunkte, meines Inventars und der Würfelwürfe gebastelt habe (Pen&Paper ist zu Oldschool). Schlapp gemacht hat um kurz vor ein Uhr des Nachts hierbei mein Smartphone und überraschenderweise nicht ich. Das Abenteuer hatte mich allerdings schon so sehr in seinen Bann gezogen, dass zur weiteren Pflege der Spieldaten nun das Tablet herhalten musste. Auch hatte ich mich mit dem anstehenden Erreichen des Teilziels noch nicht zufrieden gegeben und bin eifrig weiter durch den südlichen Urwald gezogen, bis ich letztlich mit einer maximalen Lebensenergie von 113 strotzend (ja, es hätten auch 123 sein können, aber auf das Rätselraten an so früher Stelle war ich noch nicht eingestellt), in grünlich schimmernder Haut sowie dem mächtigen zweihändigen Hackebeil der Elemente mit eingraviertem Namen und somit einem Schadenspotenzial von 23 für Recht und Ordnung im Märchenwald sorgen konnte.

Natürlich bin ich auch in den Suppentopf gelandet, denn ich wollte es einfach wissen. Haben die Sußner Jungs es wirklich getan? Haben sie dieses herrliche Klischee aufgenommen und bedient? Ich sage nur: ja, sie haben es! Wann, wie und wo muss dann allerdings jeder selber herausfinden – oder auch nicht.

Ergänzt werden die Texte des Buches durch zahlreiche Illustrationen, einem zweiseitigen “Charakterblatt” auf dem die Werte, Fähigkeiten und Gegenstände des Abenteurer vermerkt werden können (wer sein Buch schonen möchte, kann dieses auch als PDF Dokument auf den Webseiten des Mantikore Verlags kostenfrei herunterladen), und drei Landkarten. Zwei dieser Karten sind für das Spiel auch von besonderer Bedeutung und können ebenfalls kostenfrei auf der Webseite zum Buch verfügbar bezogen werden.

Die Spielmechanik setzt für Zufallselemente und Kämpfe auf das Werfen von klassischen sechsseitigen Würfeln. Ein Würfel ist ausreichend, besser jedoch sind zwei unterschiedlich gefärbte, da für die Zufallsereignisse nicht die Augensumme gebildet wird, sondern ein Würfel die Zehnerstelle und der andere Würfel die Einerstelle einer zweistelligen Zahl angibt. Auf abgedruckte Würfel im Buch wie im Reiter der schwarzen Sonne hat man hier verzichtet, so dass echte Würfel wirklich erforderlich sind. Die Kämpfe im Fey sind moderat anspruchsvoll, so man sich nicht naiv in jeden unnötigen Kampf begibt. Eine Steigerung der Fähigkeitswerte des Charakters findet zum Abschluss eines Buches statt. Die Obergrenze der Lebensenergie kann auch an verschiedenen Stellen des Abenteuers durch andere Personen und Zauber angehoben werden. Zum Ausgleich halten sich die Gegner mit ihren Fähigkeiten aber auch so passend die Waage. Es ist alles ordentlich austariert, so dass die Chancen einen Gegner zu besiegen hoch, die Wahrscheinlichkeit unnötig sein Leben zu lassen niedrig und genügend Möglichkeiten zur Regenerierung von Lebenspunkten und Aufrüstung von Waffen vorhanden sind. Im dritten Buch werden die Gegner deutlich anspruchsvoller. Insgesamt ist der Teil des Abenteuers im nördlichen Wald, dem Kalrir erheblich düsterer und tödlicher. Neue Spielmechanismen werden eingeführt und eine Weiterentwicklung/Spezialisierung des Charakters findet statt. Bei meiner Wahl dem Pfad der Natur zu folgen bedeutete dies jedoch, dass ich einige Abschnitte durch das Fehlen von Geld nicht spielen konnte. Zum Ausgleich hat der Wald mir immer wieder ein paar Lebenspunkte gutgeschrieben, was aber nichts daran geändert hat, dass ich oftmals mit nur 10 von über 130 möglichen Lebenspunkten und OHNE mein geliebtes Hackebeil (das habe ich natürlich schon vor dem Eintritt in den Wald zerschlagen) mit schlotternden Knien von einem Wegpunkt zum nächsten geschlichen bin.

Die Rätsel, die vereinzelt zu knacken sind, sind anspruchsvoll. Ich gebe zu, zu fortgeschrittener Stunde (zwischenzeitlich war es dann fünf Uhr in der früh), dauerte es eine ganze Weile, bis ich das Zahlenrätsel des Schlangenmenschen geknackt hatte. Diese Rätsel sind insgesamt angenehm abwechslungsreich, aber halt anspruchsvoll, führen allerdings dazu, dass sie bei einem weiteren Durchspielen des Abenteuers langweilig sind.

Die ersten Abschnitte des Buches waren etwas holprig, doch meine Befürchtungen legten sich schnell, denn spätestens nachdem die Handlung Fahrt aufnimmt, sind alle Abschnitte und deren Übergänge gut wenn nicht sogar sehr gut gemacht. Vermutlich, da die ersten Abschnitte ja nur einmal durchlaufen werden, ist dies bei den unzähligen Testspielen gar nicht so aufgefallen. Einen unpassenden Übergang konnte ich nach acht Stunden des Lesens und Spielens nur an zwei Stellen feststellen: So ist der Schritt von Abschnitt 80 zu 38 in Buch 2 unglücklich formuliert (Ach, der Mönch von dem wir soeben sprachen, der ist doch nicht da…). Auch Abschnitt 46 im selben Teil ist etwas unrund, wenn man zuvor schon die Frösche auf anderem Wege erhalten hat. Eine kleine Fallunterscheidung hätte hier Abhilfe geschaffen.

Aber, und das will ich hier wirklich betonen, das waren auch schon alle Mängel, die ich im ganzen Abenteuers zu beanstanden habe.

Da ich zwischenzeitlich das Feuer des Mondes erfolgreich löschen könnte, kann ich meine bislang getätigte Einschätzung aus der Zwischenbilanz nun für das Gesamtfazit beibehalten: Ein gelungenes, rundes Spielbuch und tolles Abenteuer, das vor keiner Fantasyfigur halt zu machen scheint und damit aktuell von mir eine klare Empfehlung – Das Feuer des Mondes von Christian und Florian Sußner.

Lesenswert sind auch die bibliographischen Hinweise, die fast schon wie Shownotes zu verstehen sind und mir noch nachträglich den ein oder anderen Schmunzler abgerungen haben. Mir bleibt nur zu hoffen, dass der Verkauf des Spielbuchs für die beiden Autoren ein erfolg wird und dadurch auch mit einer Fortsetzung gerechnet werden kann. Der Passende Cliffhanger wurde auf jeden Fall – sollte man das Abenteuer überleben – mitgeliefert.

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