Von Wahrscheinlichkeiten und Würfeln
Würfelwissen
Eines der wesentlichen Spielelemente bei den sogenannten Pen&Paper Rollenspielen ist neben eben jenen Stiften und Papieren der Würfel. Der, bzw. die Würfel sind dabei für den Zufallsmoment im Spiel verantwortlich und entscheiden über Erfolg oder Patzer einer Probe sowie Sieg und Niederlage in einem Kampf. Während man bei klassischen Brett- und Gesellschaftsspielen den schon zu Römerzeiten bekannten sechsseitigen Würfel (Alea) verwendet, kommen bei den Rollenspielen Würfel in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen, insbesondere hinsichtlich ihrer Seitenzahl zum Einsatz. Mathematisch gesehen ist nur der sechsseitige, mit gleichlangen und rechtwinklig aufeinanderstehenden Kanten Kubus ein Würfel. Alle anderen Objekte sind eigentlich Polyeder. Doch umgangssprachlich bleiben die Spieler bei dem Begriff Würfel.
Zur genaueren Bestimmung, welcher Würfel gemeint ist, wird die Zahl der Seitenflächen des Würfels mit genannt. Der klassische Würfe ist also ein sechsseitiger Würfel, bzw. abgekürzt ein W6 (“W” für Würfel und “6” für seine sechs Seiten). Eine ganze Reihe von Würfeln haben sich für Rollenspiele etabliert und kommerziell erhältliche Pakete beinhalten üblicherweise vier-, sechs-, acht-, zehn-, zwölf- und zwanzigseitige Würfel, also W4, W6, W8, W10, W12 und W20. Faktisch kommen aber bei den meisten Rollenspielen nur W4, W6, W8, W10, W12 und W20 zum Einsatz. Immer häufiger findet man in den Spielen auch sogenannte W100 Angaben. Tatsächlich sind solche Zocchihedrons am Markt gelegentlich zu finden, doch in der Praxis würfelt man hier mit zwei unterschiedlichen zehnseitigen Würfeln (W10). Entweder hat man die Würfel in unterschiedlicher Farbe und legt fest, welcher Würfel die Zehnerstellen und welcher die Einerstellen angibt, oder man nutzt einen W10, der bereits die Zehnerzahlen (10, 20, 30, etc.) aufgedruckt hat zusammen mit einem regulären W10. Die letztere Variante ist sicherlich die einfachere.
Zur weiteren Notation sei nun noch eine letzter Punkt gegeben: Es wird oft nicht nur mit einem Würfel geworfen, sondern gleich mit mehreren. Die Zahl der erforderlichen Würfel wird dabei dem W vorangestellt. 3W6 bedeutet dann, dass mit drei sechsseitigen Würfeln gearbeitet wird.
Im internationalen Umfeld wird anstelle des “W” ein “D” für das englische Wort dice (Würfel) verwendet. 3D10 ist damit gleichbedeutend mit 3W10 (drei zehnseitig Würfel).
Der Hauptgrund für die Verbreitung der W100 liegt dabei in der Verständlichkeit. Des Menschen Alltag ist geprägt vom Dezimalsystem (10er Zahlensystem), so dass wir ohne langes Nachdenken auf einer Skala von 1 bis 10 oder 1 bis 100 rasch einschätzen können, ob etwas groß, klein und viel wichtiger über- oder unterdurchschnittlich ist. Bei einem Zahlenraum von 3 bis 18 (ergibt sich zum Beispiel aus 3W6) sieht man die Mitte nicht auf einem Blick. (Es ist 10,5 …) Ein W100 ergibt damit einen Prozentwert, also eine Zahl zwischen 1 und 100. Lediglich die Interpretation der 100 ist dann wieder systemabhängig. Die Zahl kann als 100, aber auch als 0 verstanden werden.
Übrigens: Wer keinen Würfel zur Hand hat, kann auch das Online Würfel Tool @RollButler verwenden.
Wahrscheinlichkeitsrechnung für Anfänger
Ein Spielwürfel, unabhängig von der Zahl seiner Seiten sollte eine Grundbedingung erfüllen: Er muss fair sein. Dies bedeutet, dass er nicht gezinkt ist und somit jede Zahl auf ihm bei einer genügend hohen Anzahl an Würfen gleich häufig fällt. Bei “genügend hoch” spricht ein Statistiker wirklich von hohen Zahlen. Wer selber seine Würfel überprüfen möchte, kommt mit 100 Würfen nicht aus und bei 1000 erhält man bestenfalls einen ersten Indiz.
Viele Rollenspieler würfeln ihre Würfel bei der Neuanschaffung im Geschäft Probe. Dabei lassen sie die Würfel eine handvoll mal fallen und schauen, ob denn Zahlen in der gewünschten Höhe fallen. Faktisch hat dies mehr mit Aberglaube als mit einer stochastischen Probe zu tun, aber immerhin ist die Chance, dass der Würfel – wenn er schon unfair ist – zukünftig in die gleiche Richtung ausschlägt, durchaus erhöht.
Ich gehe im Folgenden davon aus, dass es sich um faire Würfel handelt. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für jede Zahl auf dem Würfel gleich groß und zwar exakt , bzw. wobei n die Zahl der Seiten auf dem Würfel ist.
Würfel | Bezeichnung | Klassen | Ideal | Seiten | p | Wahrscheinlichkeit |
---|---|---|---|---|---|---|
W2 | Münze, Zylinder | Prisma | ja | 2 | 0,5 | 50,0% |
W3 | Dreiecksprisma, hat eigentlich 5 Seiten oder als Walze | Prisma, Walze | ja wenn die Seitenflächen außer Acht gelassen werden oder als Walze | 3 | 0,33... | 33,3% |
W4 | Tetraeder oder Quadratprisma oder Disphenoid | patonischer Körper, Walze | ja | 4 | 0,25 | 25,0% |
W5 | Dreiecksprisma | Prisma | nein | 5 | 0,2 | 20,0% |
W6 | Würfel, Hexaeder oder Rhomboeder, Parallelepiped oder Dreiecksantiprisma oder Kugel | platonischer Körper, Walze, Kugel | ja | 6 | 0,167 | 16,7% |
W7 | Fünfecksprisma oder Siebenecksprisma | Prisma, Walze | nur als Siebenecksprisma | 7 | 0,1429 | 14,3% |
W8 | Oktaeder oder Quadratantiprisma | platonischer Körper, Walze | ja | 8 | 0,125 | 12,5% |
W9 | Siebenecksprisma | Prisma | nein | 9 | 0,11... | 11,1% |
W10 | pentagonales Trapezoeder oder Fünfecksantiprisma | Walze | ja | 10 | 0,1 | 10,0% |
W12 | Dodecaeder oder Rhombendodekaeder oder Sechsecksantiprisma oder Zwölfecksprisma | platonischer Körper, Walze | ja | 12 | 0,083 | 8,3% |
W14 | Kuboktaeder oder 14-seitiges Trapezoeder | Spindel | nur Trapezoeder | 14 | 0,071 | 7,1% |
W16 | 16-seitige Bipyramide | Spindel | ja | 16 | 0,0625 | 6,3% |
W20 | Isokaeder oder Zehnecksantiprisma | platonischer Körper, Walze | ja | 20 | 0,05 | 5,0% |
W24 | Tetrakishexaeder oder Deltoidalikositetraeder | ja | 24 | 0,4166... | 4,2% | |
W26 | Kleines oder großes Rhombenkuboktaeder | nein | 26 | 0,0385 | 3,9% | |
W30 | Rhombentriakontaeder | ja | 30 | 0,033... | 3,3% | |
W32 | Ikosidodekaeder oder Ikosaederstumpf oder Kugel | Kugel | nein | 32 | 0,03125 | 3,1% |
W34 | 34-seitiges Trapezoeder | Spindel | ja | 34 | 0,0294 | 2,9% |
W48 | Hexakisoktaeder oder 48-seitige Bipyramide | Spindel | ja | 48 | 0,020833... | 2,1% |
W50 | Kugel oder 50-seitiges Trapezoeder | Kugel, Spindel | nur Trapezoeder | 50 | 0,02 | 2,0% |
W100 | Zocchihedron | Kugel | nein | 100 | 0,01 | 1,0% |
In dieser Tabelle sind unter anderem auch ein W2 und W3 angegeben. Diese Würfel existieren nicht als reguläre Polyeder, bzw. wenn dann durch exotische Flächenverdrehungen. Ein W2 kann in der Praxis durch einen Münzwurf oder wie auch der W3 durch entsprechende Division des Ergebnisses eines größeren Würfels erzielt werden. Bei einem W2 kann ein W4 genutzt werden, dessen Ergebnis man durch 2 teilt und dann kaufmännisch rundet (1 und 2 = 1; 3 und 4 = 2). Für den W3 eignet sich ein W6, bei dem das Ergebnis ebenfalls durch zwei geteilt wird (1 und 2 = 1; 3 und 4 = 2; 5 und 6 = 3).
Sehr interessanter und informativer Artikel. Mit den ganzen tollen Grafiken kann man echt schnell die Würfel-Wahrscheinlichkeiten herausfinden. Finde ich klasse.
Viele Grüße
Dustin
Hallo Meister Jaegers, mal eine Frage zum Thema Wahrscheinlichkeit. Ich spiele derzeit ein RPG in dem ein Vorteil bedeutet, dass man 3W6 würfelt und den schlechtesten weg lässt. Wie verschiebt sich da der Schnitt, der ja bei 2W6 bwi 2×3,5 liegt? Ist das bestimmbar?
Hallo Jörn,
das zu berechnen ist möglich, aber etwas sperrig und mir für die aktuelle Uhrzeit und Temperatur zu viel. Daher habe ich den RollButler bemüht und 100.000 Würfelwürfe diesbezüglich durchführen lassen.
Das Ergebnis, also die Augensummen bei drei sechsseitigen Würfeln, bei denen der niedrigste Wurf ignoriert wird, verteilt sich wie folgt:
2: 0,5% (2,8%)
3: 1,4% (5,6%)
4: 3,2% (8,3%)
5: 5,6% (11,1%)
6: 8,8% (13,9%)
7: 12,6% (16,6%)
8: 15,8% (13,8%)
9: 16,7% (11,1%)
10: 15,8% (8,3%)
11: 12,6% (5,5%)
12: 7,2% (2,8%)
(In Klammern sind zum Vergleich die Werte für 2W6 aus einer Simulation von 1,2 Mio Würfen angegeben.)
Hieraus ergibt sich ein Erwartungswert von 8,467.
Die Spitze hat sich also um zwei Werte nach rechts (von 7 nach 9) verlagert, wobei der Abstand zu den benachbarten Werten (8 und 10, jeweils ca. 1%) nicht so hoch ist, wie bei der 2W6 Glocke (ca. 2,7%).
Schönen Gruß,
Michael
P. S.: Die passende Würfelinstruktion für den @RollButler lautet /r 3WH2
Dankeschön
Wie sieht es für 3 sechseitige Würfel aus?
Die Frage ist etwas unkonkret. Was meinst Du? Die Wahrscheinlichkeitsverteilung bei 3W6? Oder 4W6, wobei der schlechteste Würfel weggelassen wird? In dem Fall lautet die Instruktion für den RollButler /r 4W6H3 und lieferte nach 700.000 Durchgängen die folgenden Ergebnisse (http://rollbutler.net/?verify=199109):
3: 0.1%
4: 0.3%
5: 0.8%
6: 1.6%
7: 2.9%
8: 4.8%
9: 7%
10: 9.4%
11: 11.4%
12: 12.9%
13: 13.2%
14: 12.4%
15: 10.1%
16: 7.3%
17: 4.2%
18: 1.6%
Bei einfach nur 3W6 verweise ich auf die zweite Seite dieses Beitrags auf der in den Grafiken die Verteilung für ein bis vier sechsseitige Würfel eingegangen wird.
Vielen Dank für den Hinweis auf den RollButler! Das ist ja ein ganz hervorragendes Tool.
Ich habe allerdings noch nicht herausgefunden, wie man eine Simulation/Teststrecke von sehr vielen Würfen durchführt, wie du das gemacht hast. Kannst du mir helfen?
Vielen Dank und schönen Gruß
Markus
Hallo Markus,
das ist eigentlich nicht weiter schwer … Anstelle des /r Kommandos (roll) verwendet man /t (test) und die dann folgenden Parameter sind identisch. Je nach Komplexität der Anweisung dauert es dann allerdings etwas, bis der RollButler mit dem Resultat um die Ecke kommt.
Hier ist die Dokumentation zur Simulation im @RollButler.
Schönen Gruß,
Michael
Klasse, Dankeschön!