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Black Tot Day

Heute ist der 50. Jahrestag des sogenannten Black Tot Days. Nie davon gehört? Das hatte ich auch nicht, was aber auch daran liegt, dass es ein Jahrestag ist, der vermutlich mehr oder minder “nur” von ehemaligen britischen Marineangehörigen begangen wird.

Der diesjährige Black Tot Day soll an den 31. Juli 1970 erinnern, an dem es auf britischen Marineschiffen das letzte Mal offiziell die obligatorische Rumration für die Seeleute gegeben hat. Und da mir Rum als einer der wenigen Spirituosen zusagt, wurde ich hellhörig.

Wie der Rum zur Marine kam

Über 315 Jahre gehörte die tägliche Ration Rum zum festen Bestandteil des Solds, bzw. der Heuer in der Royal Navy. Dabei war der Grund der Entstehung ein gänzlich zweckdienlicher – der der Abschaffung allerdings auch.

Auch wenn um die Schiffe herum in der Regel viel Wasser zu finden ist, Trinkwasser stellte immer eine Herausforderung dar. Das in Fässern auf den Segelschiffen mitgeführte kostbare Nass war leicht verderblich und schon nach wenigen Wochen nicht mehr genießbar. So erforderten die Routen der mehrjährigen Schiffsreisen immer wieder Anlandungen um neben frischen Lebensmitteln eben auch frisches Trinkwasser aufzunehmen.

Eine Möglichkeit das Trinkwasser “haltbarer” zu machen, war es mit (desinfizierendem) Alkohol zu versetzen – oder gar gleich durch alkoholische Getränke zu ersetzen. So standen jedem Seemann pro Tag im 17. Jahrhundert eine Gallone Bier zu.

Diese rund vier Liter des alkoholischen Gerstensafts dürfte nicht nur den Durst gestillt, sondern sicherlich auch die Gemüter angeregt haben. Und was die Haltbarkeit von Bier anbelangt, so waren damit immer noch nicht die langen Reisen zu bewältigen. Ganz zu schweigen davon, dass nicht überall in Übersee die Biervorräte wieder aufgefüllt werden konnten.

Eine Lösung stellten hochprozentige Getränke dar, hier insbesondere Brandy und später, als das Empire sich Jamaika einverleibte, insbesondere auch Rum.

Das aus Zuckerrohrmelasse gewonnene Getränk war billig, hochprozentig und wurde durch die Lagerung in den Holzfässern auf den Schiffen auch noch zunehmend besser. Und dass man dazu noch auf den vom “Erzfeind”, den Franzosen, stammenden Brandy verzichten konnte, war sicherlich auch noch ein entscheidender Faktor.

Kurzum, bei der Royal Navy wurden 1731 Bier und Brandy durch Rum ersetzt und die Ration für die Seeleute, der Tot, wurde in diesem Zuge auf einen Viertelliter pro Tag reduziert. Da der Alkoholgehalt von Bier (ca. 5%) zu Rum (54%) zur selben Zeit sich eher verzehnfacht hat, verschärfte sich ein anderes Problem: Die Disziplinlosigkeit.

Grog: Gepanschter Rum

Rund 10 Jahre später wurde von Admiral Edward Vernon für sein Geschwader in der Karibik angeordnet, dass der Rum nur noch mit Wasser verdünnt auszugeben sei. Die Rationen gab es damit nur noch im Verhältnis 4:1 (vier Teile Wasser, ein Teil Rum), was zugleich das Rezept für ein neues Getränk werden sollte: Grog.

Dass die Bezeichnung Grog vom Spitznamen des Admirals “Old Grog” herrührt, wird heute allerdings eher als Legende angesehen. Gesichert ist allerdings, dass diese Maßnahme später in den allgemeinen Code der Navy aufgenommen wurde und damit für alle Marineangehörige verpflichtend wurde.

Im 19. Jahrhundert lagerte die Royal Navy rund 4 Millionen Barrel Rum ein. Natürlich stammte der Rum aus verschiedenen Produktionsstätten, aber alle aus britischen Kolonien: Barbados, Jamaika, Guyana und später auch Trinidad. Die verschiedenen Rumsorten wurden allerdings ohne Rezept miteinander vermischt (Blend), sodass die Royal Navy wohl zum größten “Rumveredler” der Welt wurde. Der Navy Blend.

Um diese schiere Menge bewältigen zu können, wurden eigene Fässer konstruiert, die nicht nur oben offen, sondern auch durch Röhren miteinander verbunden waren. So war zum einen ein Austausch des Rums zwischen den Fässern gewährleistet, zum anderen verblieb immer ein Rest (ca. ein Drittel) in den Fässern, der sich dann mit jüngerem Rum vermischen konnte – die Royal Navy Variante des Solera Verfahrens.

Die Royal Navy war damit natürlich auch ein begehrter Abnehmer für Spirituosen, was schnell auch einige findige Geschäftsleute anzog. Um sicherzustellen, dass der Rum oder Gin auch den geforderten Alkoholgehalt hatte und nicht bereits gestreckt war, wurde die Schießpulverprobe (“gunpowder proof”) durchgeführt. Hierbei wurde eine kleine Menge Schießpulver mit dem alkoholischen Getränk benetzt. Brannte es im feuchten Zustand immer noch, war der Alkoholgehalt hoch genug (über 50%) und das Getränk wohl echt.

Die täglichen Rationen an Alkohol wurden im Verlauf der folgenden Jahrhunderte immer wieder reduziert, unter anderem auch, weil der übermäßige Alkoholkonsum gesellschaftlich immer weniger akzeptiert wurde. 1824 wurde die Rumration erstmals halbiert und zum Ausgleich gab es mehr Fleisch, Tabak und Tee – sicherlich eine hart erkämpfte Veränderung, die die Männer wohl kaum mit Freude aufgenommen haben dürften. Das erkennt man auch daran, dass über 20 Jahre danach (1848) dann anstelle von Rum auch die Option auf Tee mit Zucker (!) bestand, bevor 1850 Diskussionen in der Admiralität begannen, die Rumrationen gänzlich einzustellen.

Ausgabe der Rumrationen 1940 an Bord der HMS King George V. – man beachte die “kleinen” Trinkgefäße

Diese Diskussionen endeten damit, dass die täglichen Rumrationen noch einmal halbiert wurden und damit von dem anfänglichen halben Pint (ein 0,25 l) nun nur noch 0,07 l reinen 54%igen Rums geblieben sind – oder alternativ bei Verzicht auf das Getränk eine Auszahlung der Rumration, dem “grog money” einzustreichen.

Der Black Tot Day

Nachdem die Ausgabe des Rums für Offiziere und Besatzungsmitglieder unter 20 Jahre gestrichen wurde, waren haben 1950 sich immer noch ein Drittel der Marineangehörige die tägliche Rumration abgeholt. Zwischenzeitlich war der Rum tatsächlich nur noch ein Besitzstand, denn die ursprünglichen Probleme, das Trinkwasser, war im Zeitalter der Moderne längst keines mehr. Zugleich waren auch die Anforderungen an die Seeleute auf den modernen Schiffen kognitiv erheblich größer, sodass 1969 beschlossen wurde, den freien Alkoholausschank gänzlich einzustellen.

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Natürlich geschah dies nicht ohne eine imposante Debatte im House of Commons – man erinnere sich nur an die Debatten zum Brexit im vergangenen Jahr. Und gänzlich verschwunden ist der Rum in der Marine dennoch nicht, denn für kleines Geld kann der Rum von den Seeleuten in den Unteroffiziersmessen erworben werden.

Heute vor 50 Jahren, am 31. Juli 1970, war es dann soweit: Der letzte Tot wird auf den Schiffen der Royal Navy ausgeschenkt und mit aufwändigen Abschiedszeremonien (Trauerflor, Dudelsackmusik, Salutschüsse etc.) bedacht.

Also, hoch die Tassen!

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