Hin und wieder berichte ich hier über sogenannte Rollenspiele. Dem ein oder anderen ist nicht klar, worum es sich hierbei handelt. Aus diesem Grund versuche ich in einem kurzen Beitrag zu erläutern, was ein Rollenspiel ist.
Rollenspiele sind eine ganz eigene Form des Spiels wie Brett- oder Kartenspiele und stammen aus der guten alten Zeit der 80er Jahre. Bei einem Rollenspiel (im englischen Sprachraum auch gerne Pen&Paper genannt) unterscheidet man zwischen einem Spielleiter und auf der anderen Seite den Spielern. Jeder Spieler übernimmt im Spiel eine (oder mehrere) Figuren, Charaktere genannt, und lässt diese in der vom Spielleiter vorgestellten Welt agieren. Klassisch sind Rollenspiele, bei denen die durch die Spieler gesteuerten Charaktere ein Abenteuer mit Rätseln, aber auch Kampfsequenzen durchleben müssen. Den Charakteren können je nach Geschichte Wesen aus Fantasywelten oder Aliens begegnen, aber auch einfach nur ganz gewöhnliche Menschen. Abenteuer sind dabei oftmals Such- und Rettungsaktionen oder Detektivgeschichten.
Ob einzelne Elemente in den Handlungen der Charaktere (zum Beispiel das Überzeugen von anderen Figuren im Spiel, der Anwendung eines Zauberspruchs, einem Kampf, etc.) von Erfolg gekrönt sind, hängt dabei von den Eigenschaften der Charaktere und den mehrseitigen Würfeln ab, die bei einer Aktion gewürfelt werden müssen. Hat ein Charakter in einer Eigenschaft oder Fertigkeit hohe Werte, ist also besonders begabt, so ist die Hürde, die er mit den Würfeln überwinden muss entsprechend niedrig. Für einen Zauberlehrling hingegen mag die Anwendung eines Zauberspruchs hingegen eine sehr große Herausforderung und nur mit geringen Erfolgsaussichten ausgestattet sein.
Rollenspiele bedürfen in der Regel nichts weiter als einem Stift, etwas Papier (daher auch der Name Pen&Paper) und eine gehörige Portion Phantasie. Die vom Spielleiter vorgestellten Abenteuer spielen sich letztlich nur in den Köpfen der Spieler ab. Nur selten kommen weitere Materialien, sogenannte Handouts, hinzu, die dem Spiel eine kleine haptische und optische Dimension geben. Auch die Einbindung von musikalischer Untermalung kommt heutzutage gerne zum Einsatz. Gute Spieler und Spielleiter versuchen ähnlich einem Schauspieler in die Rolle ihres Charakters zu schlüpfen und Handlungen und Gespräche der Situation und dem Charakter entsprechend darzustellen.
Eine gesonderte Form des Rollenspiels sind die sogenannten Tabletop Rollenspiele. Bei diesen verschwindet die Erzählkomponente des Abenteuers deutlich in den Hintergrund, dafür treten aber kleine Modellfiguren auf den Plan, bzw. auf den Spieltisch. Mühevoll und äußerst detailliert wird der Tisch mit Landschaften ausgestattet in denen dann die kleinen, liebevoll von hand bemalten Figuren, teilweise auch ganze Heerscharen von Orks, Trollen, Goblins und anderen phantastischen oder futuristischen Wesen gegeneinander antreten um ihre Mission zu erfüllen.
Die dritte Form stellt dann eine noch größere Dimension dar: Beim LARP (Live Action Role Playing) treten nicht kleine Zinnfiguren gegeneinander an, sondern nicht minder liebevoll und detailiert kostümierte Menschen. Doch dies ist dann wieder eine Dimension in der ich persönlich nicht zu finden bin. Wetterunabhängig verbringe ich lieber Spieleabende bei mir daheim oder auf Rollenspiel Conventions. Conventions sind Veranstaltungen auf denen sich Rollenspieler aus nah und fern treffen um miteinander zu Spielen oder sich einfach auszutauschen. Nicht selten finden die Conventions an Wochenenden in Stadthallen statt und sind für 48 oder mehr Stunden ununterbrochen geöffnet, so dass die zeitlichen Begrenzungen kein Hinderungsgrund für ein äußerst ausgereiftes Rollenspiel darstellt.
Die meisten Spielrunden sind in der Regel auch für Rollenspieleinsteiger geeignet und üblicherweise wird eine entsprechende Einführung und Unterstützung bei der Erschaffung eines Charakters gerne gegeben. Für Anfänger kann bei Bedarf auch das physische Material (Würfel, Bleistift, etc.) gestellt werden. Die Dauer eines Spiels ist sehr unterschiedlich. Ist das klassische Brettspiel mit 60 bis 120 Minuten beendet, dauert eine Rollenspielrunde in der Regel einige Stunden, kann dann aber auch auf mehrere Sitzungen verteilt werden.
Eine Situation in einem Rollenspiel kann dann wie folgt aussehen:
Spielleiter: “Nach einem Marsch von rund zwei Stunden durch den dichten Wald gelangt ihr dank der geschickten Führung des kleinen Hirtenjungen bis zur Felswand. Ein scheinbar massiver Felsen ragt dort zwischen den Bäumen in einer Entfernung von 100 m empor und reicht bis an die Baumwipfel heran. Das leicht schillernde Gestein des Felsens ist zu jeder Seite noch an die 150 m weit zu sehen. ‘So,’ sagt der Junge, ‘weiter kann ich euch nicht führen. Das ist schon mehr als gut für mich ist. Wollt ihr nicht wirklich umkehren? Kaum jemand, der so nah an dem Felsen war, ist je wieder zurück gekehrt!'”
Spieler 1: “Ich gebe dem Knaben seinen vereinbarten Lohn, bedanke mich und gehe weiter auf den Felsen zu.”
Spieler 2: “Ich folge ihm, schärfe jedoch meine Sinne. Bemerke ich etwas?”
Spielleiter: “Du kannst eine Probe darauf ablegen.”
Spieler 2: “Ok, ich habe mit den Würfeln einen Erfolg erzielt. Was bemerke ich?”
Spielleiter: “Deinem Charakter fällt auf, dass es zum Felsen hin leicht abschüssig ist, die Bäume, die Sträucher und sogar die Grashalme sind in Richtung des Felsens geneigt. Je näher ihr dem glitzernden Felsen kommt, desto stiller wird es. Kein Vogelgezwitscher ist mehr zu vernehmen und sogar das Laub der Bäume scheint nicht mehr zu rascheln.”
Spieler 3: “Oh… Das gefällt mir dann doch nicht so recht. Nervös ziehe ich mein Schwert und halte es bereit.”
Spielleiter: “Nach kurzer Zeit steht ihr vor dem gewaltigen Felsen. Rund um den Felsen ist eine Erdwölbung zu sehen, als ob der Felsen vom Himmel gefallen sei und sich hier in die Erde gebohrt hat. Das Schimmern verleiht dem Felsen den Eindruck, als ob er nass wäre, doch der Boden um ihn herum ist nicht auffällig feucht.”
Spieler 1: “Ich berühre den Felsen. Ist er wirklich nass? Spüre ich etwas besonderes?”
Spielleiter: “Der Felsen fühlt sich in der Tat kühl und feucht an. Das Schimmern stammt wohl von einer Schleimschicht, der das Gestein umgibt. Als Du die Hand vom Felsen lösen möchtest, haftet diese daran. Je stärker Du an ihr ziehst, umso mehr scheint der Schleim deine Hand fest zu halten. Gleichzeitig verspürst Du ein Kribbeln auf Deiner Handfläche, das immer stärker wird.”
Spieler 1: “Ahhhhhh… Ich hänge fest! Kann ich eine Kraftprobe ablegen um mich zu befreien?”
Spielleiter: “Versuche es. Was hast Du gewürfelt?”
Spieler 1: “Eine 12.”
Spielleiter: “Deine Hand ist weiter im Griff des Felsens. Das Kribbeln breitet sich weiter aus und wird zu einem brennenden Schmerz.”
Spieler 3: “Lass mich mit meinem Schwert seine Hand abschlagen!”
Spieler 1: “Nein!”
Spieler 2: “Vielleicht kann er aber mit dem Schwert den Schleim durchtrennen.”
Spieler 1: “Gute Idee!”
Spielleiter: “Dann würfle doch einmal eine Probe auf deine Kraft unnd Geschicklichkeit.”
Spieler 3: “Ha, eine 18! Ich setze mein Schwert an und schneide und hebele mit ganzer Kraft!”
Spielleiter: “In der Tat gelingt es Dir das Schwert durch die gallertartige Masse hindurch zwischen den Felsen und der Hand zu bewegen. Doch je tiefer Du das Schwert dazwischen drückst umso schwieriger lässt es sich bewegen. Zu allem Überfluss klebt der vom Felsen befreite Teil der Hand nach kurzer Zeit wieder an dem Felsen fest. Du musst feststellen, dass Deine Aktion zum Scheitern verurteilt ist und sich dein Schwert selbst mit größter Kraftanstrengung nicht mehr bewegen lässt und nun ebenso am Felsen fixiert ist.”
Spieler 3: “Verdammt!”
Spielleiter: “Das Brennen an der Hand lässt langsam nach, dafür macht sich allerdings ein Taubheitsgefühl breit.”
Spieler 2: “Also, mit aller Kraft und Gewalt kommen wir nicht gegen den Schleim an. Wir müssen es wohl anders versuchen.”
Spieler 1: “Wie denn? Helft mir, ich stecke hier fest. Ich will hier nicht verrotten!”
Spieler 2: “Entspanne Dich! Versuche es einmal ganz langsam, ohne zu zappeln und ohne Kraftanstrengung.”
Spieler 3: “Tolle Idee. Das soll funktionieren? Am Ende soll er den schleimigen Klumpen auch noch streicheln!”
Spieler 1: “Ich versuche es!”
Spielleiter: “Gut, dann schau mal, ob Deine Geschicklichkeit unter diesen erschwerten Bedingungen noch ausreicht.”
Spieler 1: “Die Würfel sagen ja.”
Spielleiter: “Du holst tief Atem und lässt die Luft dann ganz langsam entweichen. Dabei entspannst Du Dich und nimmst jede Kraft aus Deinem Arm. Und ohne Kraft gleitet Deine Hand langsam am Felsen hinab. Je tiefer sie sinkt, desto leichter wird sie und lässt sie immer weiter vom Felsen lösen bis nur noch ein paar einzelne Schleimfäden zwischen Deiner Hand und dem Felsen sind.”
Spieler 1: “Tschakka!”
Spielleiter: “Nicht ganz! Du, bzw. deine Hand hat durchaus einen Schaden genommen. Es wird noch ganze zwei Tage dauern bis Du wieder Gefühl in deiner Hand hast und Du sie wieder vollumfänglich nutzen kannst. Du nimmst einen Schadenspunkt hin und alle Proben, die durch Tätigkeiten mit Deiner rechten Hand ausgelöst werden, sind für Dich in den kommenden Tagen erschwert.”
Spieler 1: “Schluck!”
Welche Rollenspiele gibt es?
Obgleich die Rollenspielerszene eher klein ist, gibt es eine schier unermessliche Zahl an Rollenspielsystemen und es kommen auch immer wieder neue hinzu. Gerade das Crowd Funding hat dazu geführt, dass viele kleinere Systeme aufgelegt werden konnten und hier und da auch einmal aus einer Nische heraus kommen. Ein paar der Rollenspielsysteme möchte ich hier einmal kurz vorstellen.
Der Klassiker in Deutschland ist Das schwarze Auge. Auch heute noch hat es vermutlich die größte Fangemeinde und wird auf jeder Convention irgendwo gespielt. Das schwarze Auge ist ein klassisches Fantasy/Mittelalter Setting, jedoch arg komplex vom Regelwerk und durch die über die Jahre gewachsene Struktur teilweise in sich selbst nicht mehr so recht konsistent. Doch ein Ende von DSA ist kaum abzusehen. Mehrere Spin Offs haben sich an das System und die Welt angeknüpft und erweitern das Spektrum noch einmal deutlich. Das Preisniveau ist mittel, das Regelwerk komplex aber die Abenteuer sind sehr gut ausgearbeitet. Die aktuelle Version ist 4.1 und ist weit verbreitet, eine Version 5 wurde als Betaversion vorgestellt, bedarf allerdings wohl noch zahlreicher Überarbeitungen, so dass das Erscheinungsdatum der offiziellen Version deutlich verschoben wurde. Von einem Kauf der Betaversion rate ich für Neueinsteiger derzeit damit eher ab.
Auf unserer Welt, jedoch 50 bis 60 Jahr ein der Zukunft spielt ein anderes Rollenspielsystem: Shadowrun. Die Zivilisation hat sich deutlich verändert. Die politischen Strukturen haben sich derart gewandelt, dass die Macht nun ganz offensichtlich von einigen wenigen großen Firmen ausgeübt wird. Politik ist bestenfalls eine Marionettenstruktur und arbeitet den großen Firmen zu. Auch die Landesgrenzen haben sich verschoben, so dass neue Staatenkonstrukte entstanden sind. Aber auch die Menschen haben sich verwandelt. So sind aus ihnen Orks, Trolle, Elfen und Zwerge hervorgegangen, die nun Seite an Seite miteinander leben. Die Technologie ist omnipräsent und sogar die Magie ist wieder erwacht und für den ein oder anderen Nutzbar. Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Shadowrunnern, also Menschen, die eher im verborgenen Aufträge jedweder Art übernehmen, üblicherweise allerdings Aufträge der eher schmutzigen Art. Wer strategisch planen möchte und lieber einmal mehr schießt als fragt, der ist bei Shadowrun sicherlich gut aufgehoben. Das Preisniveau ist moderat, das Regelwerk mäßig anspruchsvoll aber die Abenteuer erfordern für den Spielleiter dann doch schon etwas Erfahrung. Die aktuelle Version ist 5. Sie ist relativ frisch auf dem Markt, so dass nun nach und nach erst “passendes” Material dazu erscheint. Die Version 4 ist damit derzeit noch der am weitesten verbreitete Standard. Für Neueinsteiger kann es aber Sinn machen sich gleich mit der aktuellen Version zu befassen.
Mein persönlich präferiertes System ist Call of Cthulhu. Auch dieses spielt in unserer Welt, allerdings im Standardsetting knapp 90 Jahre zurück, also in den 1920ern. Der sogenannte Cthulhu Mythos geht auf den amerikanischen Schriftsteller H.P. Lovecraft zurück, der als Begründer der Horrorliteratur gilt. Sein Credo war, dass der Schrecken sich im Kopf bildet, vor allem wenn der Mensch nicht alles über Hintergründe weiß oder erfährt. Die Spieler schlüpfen hier in Menschen des letzten Jahrhunderts und werden mit seltsamen Phänomenen konfrontiert. Dies können Geistererscheinungen sein, aber es kann auch eine Kultistengruppe sein, die eine übernatürliche Gottheit beschwören möchte. Die Wesen, die dem Cthulhu Mythos zugrunde liegen interessieren sich allerdings allesamt herzlich wenig für die Menschen. Ein Umstand, den der ein oder andere Kultist viel zu spät erst bemerken wird. Also spannende und teilweise gruselige Abenteuer und Rätsel findet man bei Cthulhu. Das Regelwerk ist recht einfach und da man sich nicht in eine andere Welt eindenken muss, ist auch der Einstieg sehr leicht. Das Preisniveau ist eher hoch aber die Abenteuer sind auch hier sehr gut ausgearbeitet und Hintergrundmaterialien sind einfach klasse. Die derzeit “gültige” Version ist die 3. Edition, die allerdings kaum noch neu am Markt zu kaufen ist, bzw. wenn, dann zu teilweise exorbitanten Preisen. Eine Alternative stellt die kostenfrei verfügbare Fassung im PDF Format. Die neu angekündigte 7. Edition (bei der Numerierung hat man eine Angleichung an das amerikanische Original vorgenommen) wurde auch bereits vorgestellt und angekündigt, jedoch per Verlautbarung der Redaktion von heute ebenfalls verschoben.
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