Schönes schmutziges Geld – The Story Behind

Ein schäbiges Motel am Rande von Seattle. Von der Zimmertüre aus sieht man noch die Rücklichter des sich langsam entfernenden BMW 400GT. In ihm ein sichtlich eingeschüchterter, aber auch gebrochener Mann. Evan Goldman, ein Ass von einem Hedgefonds-Manager, der bislang nur die großen Fische bedient hat. Wer ihm Geld anvertraut hatte konnte binnen kürzester Zeit eine Vervielfachung seines Kapitals beobachten. Eigentlich war es ja nur eine Frage der Zeit, bis auch die Mächte der Unterwelt auf ihn zukommen würden um ihr schmutziges Geld zu bereinigen. Wie naiv war er nur gewesen in dem Glauben, dass er mit seiner lupenreinen Weste sich gegen diese Mächte wehren könne.

Jetzt war es also passiert. Und Goldman konnte es immer noch nicht glauben. Was war über ihn gekommen, dass er sich mit dem jungen Ding eingelassen hatte? Er ist sich sicher, dass er auf die eine oder andere Weise manipuliert wurde. Aber wie? Drogen? Magie? Goldman will sich waschen, will einfach nur noch unter die Dusche. Sich einseifen, sich abschrubben. Aber kein Desinfektionsmittel der Welt wird ihm diese Erfahrung von seiner Seele waschen.

100.000 Nuyen soll er nun waschen. Binnen 48 Stunden, hatte die koreanische Schönheit in dem Geschäftsanzug gesagt. Natürlich war ihm der Kontakt zu den Behörden untersagt und diese vier Runner würden ihn im Auge behalten. Verdammt! Goldman hält seinen Wagen an, das lautes Gehupe hinter ihm nimmt er nicht wahr, auch als der andere Fahrer ihn überholt und eine Schimpftirade auf ihn lospoltert. Goldmans Hände zittern, er wischt sich mit ihnen durch sein Gesicht um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Zwei Sekunden lang hält er sie knapp über dem Lenkrad seines BMW und versucht das Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Was tun?

In der Tiefgarage unter dem Glaspalast der Investment Bank angekommen parkt er seinen Wagen auf seinen eigenen Parkplatz. Dieses Privileg war ihm nach seinem ersten erfolgreichen Jahr in der Firma zuteil geworden. Nun sah alles danach aus, dass er sich davon, vermutlich sogar von seinem ganzen Job in Kürze verabschieden könnte. Und dann? In seiner Branche war ein ruinierter Ruf das Ende. Das Ende für ihn und damit auch für seine Familie. Seine zwei geliebten Kinder, denen er jeden Wunsch erfüllte und denen er die beste Ausbildung zukommen ließ, die man sich in Seattle kaufen konnte. Ein eigenes Haus in einer der geschützten Zonen.

Am Schreibtisch angekommen konnte sich Goldman kaum konzentrieren. Nur nicht auffallen, sagte er sich, aber er war sich sicher, dass Maggie, seine Assistentin etwas bemerkt hatte. Mehrfach hatte sie ihn gefragt, ob es ihm gut ginge, er sähe so blaß aus. Maggie war eine treue Seele und sie sorgte sich um ihn. Doch das vitaminangereicherte Obst, das sie ihm kommentarlos brachte, würde kaum etwas gegen das bewerkstelligen, was ihn bedrückte.

100.00 Nuyen waschen, binnen 48 Stunden. Das war kein größeres Problem für ihn. Er hatte das zwar noch nie gemacht, aber für so eine Aufgabe würde er nicht einmal einen Vormittag benötigen. Aber so etwas tat er nicht. So etwas wollte er auch nicht tun. Sein Leben lang war er rechtschaffend gewesen, hatte nie Bestechungsgelder angenommen oder auch nur einen Nuyen aus dem Creditstick seiner Eltern abgezweigt. Das alles hatte sich ausgezahlt. Seine Geschäftspartner setzten und vertrauten auf ihn. Er war seriös und der Fels in der Brandung der Geldflüsse.

Das FBI, dachte er, die Behörden würden ihm helfen. Das waren Profis. Doch wie sollte er das FBI kontaktieren? Er wurde schließlich überwacht. Wer weiß, wo die Runner Posten bezogen hatten. Sicherlich hatten sie auch seinen Kommlink angezapft. Waren sie auch schon im Netz? Er hatte davon gehört, dass die Matrix nicht sicher sei. Die Konzerne behaupteten zwar immer das Gegenteil, aber wollte er das riskieren? Seine Firma durfte auch keine Kenntnis davon gewinnen. Das Vertrauen, das man in ihn setzte, wäre in Sekunden zunichte gemacht. Nein, er musste einen anderen Weg finden um damit klar zu kommen.

Am Nachmittag fand er dann eine E-Mail in seinem Postfach mit dem Foto eines seiner Kinder. Goldman fröstelte. Sein Herz setzte mehrere Schläge aus und dann stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Der Absender war ihm unbekannt und vermutlich war der Name auch falsch. Aber die Aussage der Nachricht war eindeutig. Nicht nur, dass sie ihn mit kompromittierenden Trideos in der Hand hatten, nein, sie bedrohten auch noch direkt seine Familie. Goldman stürzte aus seinem Büro, vorbei an Maggie direkt in das Herren-WC und beugte sich über die erstbeste Schüssel.

Nachdem er sich das Gesicht gewaschen und mit den Papiertüchern abgetrocknet hatte, kam ihm die Idee. Er drehte und wendete den Fetzen dieses Einweghandtuchs in seinen Händen. Geschwind zückte er seinen Stift, einem Erbstück seines Großvaters, das er zum Universitätsabschluss erhalten hatte. Den Stift trug er nur aus nostalgischen Gründen mit sich herum, denn er hatte heutzutage keinerlei Nutzen mehr, denn niemand nutzte noch Papier zur Erfassen von Notizen. Wahrscheinlich würde er auch im ganzen Turm der Investmentbank kein einziges Stück Papier mehr finden. Alles war auf elektronisches Papier und Computer umgestellt worden und zwar schon vor Jahrzehnten. Doch diese Papiertücher…

Maggie sah ihn entgeistert an, als er völlig derangiert, aber offensichtlich äußerst Entschlossen auf sie zukam. “Geht es ihnen auch wirklich gut?” fragte sie besorgt, als er ihr dann einen Bündel Papiertücher überreichte.

“Maggie“, sagte er, “ich brauche deine Hilfe! Es geht um Leben und Tod! Bitte stell keine Fragen und vertrau mir einfach.”

Am nächsten Vormittag, kurz vor der Mittagspause, kam das vereinbarte Zeichen. Ein Anruf wurde in sein Büro durchgestellt und ein Kunde fragte nach einem Investment über 100.000 Nuyen. Es sollte eine Anlage mit Sicherheitsgarantien sein und der Kunde wäre bereit sofort zu verhandeln.

Geschäfte so geringer Größenordnung wickelte er normalerweise nicht ab. So etwas war das Tagesgeschäft für die klassischen Filialen und Maggie wimmelte diese Anrufe normalerweise ab. Doch heute hatte er darum gebeten, dass jede Anfrage direkt zu ihm durchgestellt werden sollte und Goldman erkannte den Code wieder, den er dem FBI hatte zukommen lassen. Das FBI war also bereit ihm zu helfen und sofort Gespräche aufzunehmen. Der von ihm vorgeschlagene Treffpunkt war akzeptiert und ab sofort besetzt.

Goldman schloss seine Arbeiten ab und verabschiedete sich bei Maggie zum Mittagessen. Es könne etwas später werden, sagte er, da er sich mit einem Geschäftspartner treffen wolle.

In der Tiefgarage bestieg er seinen BMW und machte sich auf dem Weg durch die Straßen von Seattle. Das eingebaute Navigationsgerät lotste ihn dabei durch den Verkehr, zwar kannte er den Weg zum Ziel, doch bei den zahlreichen Baustellen und dem unkalkulierbaren Verkehr in Seattle, war das mit der Matrix verbundene Navigationsgerät Gold wert. Nach rund zwanzig Minuten beschlich Goldman jedoch das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Die Route führte nicht mehr in Richtung des kleinen Vorstadtrestaurants, sondern immer weiter davon ab. Er überprüfte die Zieleingabe, startete das Navigationsgerät neu, doch dieses blieb bei der ungewöhnlichen Route, die einen erheblichen Umweg durch die Stadt vorsah. Goldman beschloss seinem Routenplaner nicht mehr zu vertrauen und selber den Weg einzuschlagen. Er setzte den Blinker um wieder auf die Hauptstraße zu gelangen, doch das Fahrzeug erlaubte ihm keine manuelle Richtungsänderung. Stur bewegte sich sein BMW entlang der von Navigationsgerät vorgegebenen Route durch den Verkehr.

Panik beschlich Goldman. Die Bremsen reagierten nicht, sogar die Fensterscheiben konnte er nicht mehr herunterfahren. Goldman war gefangen. Gefangen im eigenen Auto. Irgendjemand hatte die vollständige Kontrolle über sein Fahrzeug übernommen und brachte ihn… ja, wohin? Er wurde entführt, wurde ihm nun schlagartig bewusst. Jetzt half nichts mehr. Er aktivierte sein Kommlink und ließ sich direkt mit der örtlichen FBI Zentrale verbinden.

“Ich brauche Hilfe! Ich werde entführt! Mein Fahrzeug… ich habe keine Kontrolle mehr über mein Auto!”

“Sir, bleiben sie ruhig! Wir orten sie und senden eine Einsatztruppe. Lassen Sie in jedem Fall ihr Kommlink eingeschaltet, damit wir sie orten können.”

Das Fahrzeug bog nun in eine Seitenstraße hinter ein großes Einkaufszentrum ein. Das Kommlink informierte ihn über einen zweiten Anruf von einer unbekannten Person.

“Sir, haben sie mich verstanden?” fragte die Frau in der FBI Zentrale.

“Ja, ich…”

“Sehen sie irgendwo Personen, die sie beobachten oder verfolgen?”

“Nein, ich… Moment! Das Auto biegt nun in ein Parkhaus ein”, antwortete Goldman voller Panik. “Was soll ich tun?”

“Bleiben sie ruhig, Mr. Goldman. Wir haben sie lokalisiert und sind schon auf dem Weg!”

Der BMW fuhr zügig durch das volle Parkhaus. Im zweiten Stock wurde es dann langsamer und dann sah er sie. Eine Gruppe Männer stand dort neben der einzigen freien Parklücke in der der BMW dann auch einbog.

“Guten Tag, Mr. Goldman”, sagte einer der Männer mit einem schiefen Lächeln im Gesicht. “Schön, dass sie kommen konnten.”

Es war ein schlanker, junger Mann mit einem stark tätowierten Körper. Die Kraft mit der er Goldman dann auch schon vom Fahrersitz zerrte und auf die Rückbank des benachbarten Mercury Comet stieß, ließ auf Arme schließen, die auf Cyberwareunterstützung setzen konnten. Auf seiner Wange leuchtete ein Symbol auf, das Goldman nicht kannte, aber zusammen mit dem Gesichtsausdruck Entschlossenheit zu versprühen schien.

Dann hörte Goldman das Quietschen von Reifen auf einer der anderen Etagen des Parkhauses. Der Gesichtsausdruck seines Entführers änderte sich und rasch erteilte er den anderen Befehlen. Schlug die Autotür hinter Goldman zu und schwang sich selber auf den Beifahrersitz eines anderen Fahrzeugs. Rasch setzte der Comet mit Goldman rückwärts aus der Parklücke. Vor ihnen bog bereits ein anderer Mercury Comet auf die Abfahrt zur unteren Etage des Parkhauses ein. Als auch sie nun auf die Rampe fahren wollten traf das Auto ein gewaltiger Schlag. in Sekundenbruchteilen wurde das Auto angehoben und vorangeschleudert um an einem der Pfeiler des Gebäudes zum Stehen zu kommen. Scheiben zerbarsten und von seinen Begleitern vernahm Goldman Flüche. Sein Bewacher auf der Rückbank drückte seinen Kopf runter, während die anderen den Wagen verließen und schwere Waffen zückten.

Dann krachten auch schon zahlreiche kurze Feuerstöße. Kugeln trafen das Auto oder das sie umgebende Mauerwerk. Schmerzensschreie waren zu vernehmen und Goldman wurde von der dem Feuergefecht abgewandten Seite aus dem Auto gezerrt.

“Bleib unten, verdammt!” maulte ihn einer der Männer an um dann sogleich eine Salve quer durch das Gebäude zu schicken.

Die Hölle auf Erden, dachte Goldman. Auf ihrer Seite waren sechs, sieben, vielleicht acht schwer bewaffnete Männer. Wer waren die, die sahen nicht nach Beamten des FBI aus. Und die Runner von gestern waren es auch nicht. In was für einen Mist war er da nur hineingeraten. Aber auf jeden Fall schien man ihn lebend haben zu wollen, denn bei allem, was die Männer um ihn herum taten, sie versuchten ihn zu beschützen.

Über ihnen war das immer lauter werdende Geräusch eines Hubschraubers zu vernehmen. Ganz sicher war dies das Rettungsteam des FBI, das nun auf dem Dach des Parkhauses abgesetzt wurde. Hoffentlich kämen diese nicht zu spät.

Eine weitere Feuersalve schlug dicht bei Goldman ein. Er selber wurde nicht getroffen, doch der Mann neben ihm erlitt einen schweren Treffer und wurde zu Boden geschleudert. Er rappelte sich wieder auf und signalisierte den anderen, dass sie sich vom Acker machen sollten. Ein anderer schnappte sich Goldman am Kragen, stutzte um dann kurzerhand seine Waffe über die Brüstung auf die Straße zu werfen.

“Hey, was macht ihr da, ihr Schwachköpfe”, brüllte der einzige, der seine Waffe nicht weggeworfen hatte.

Dann wurde Goldman auch schon durch die Tür zum Treppenhaus geschleift und über die Treppen nach unten befördert…


Shadowrun, Geisterkartelle
Diese Hintergrundstory beschreibt die Handlung der von mir geleiteten Shadowrun Runde vom vergangenen Wochenende aus Sicht des Zielobjekts. Das Abenteuer “Schönes schmutziges Geld” entstammt dabei dem Kampagnenband Geisterkartelle. Das hier beschriebene Szenario knüpft unmittelbar an die vorherige Runde an, zu der es bereits einen Bericht aus Sicht von Yuki, einer der vier Runner, gab.

Die Kampagne beschreibt das Aufkommen einer neuen Droge, Tempo. Der Beginn der Ausbreitung ist in Seattle, aber von dort aus erobert die angesagte Droge schnell die ganze Welt und zahlreiche Neider werden sich um den Komun’go-Ring, der mit den Mittelchen groß geworden ist, scharen.

Eigentlich handelt es sich hier um ein Auftaktabenteuer für die Runner, bevor es wirklich ins Eingemachte geht, doch hier mussten sich meine viel Spieler schon enorm die Zähne ausbeißen und auf den Doc Wagon Vertrag zurückgreifen…

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