Stadratssitzung vom 29.03.2011 – die Sicht von oben

Am 29. März diesen Jahres stand die 10. Sitzung des Rates der Stadt Bergisch Gladbach in der 8 Legislaturperiode im Ratssaal des Rathauses in Bensberg an. Die Tagesordnung umfasste rund 40 öffentliche Punkte, die zum großen Teil im Vorfeld in der Öffentlichkeit schon zu heißen Diskussionen geführt haben. Ein Grund mehr also als interessierter Bürger dieser Veranstaltung einmal beizuwohnen.

Vor dem Rathaus demonstrierte eine kleine Gruppe junger Eltern mit zahlreichen Kindern gegen die Erhöhung des Elternbeitrags für Kindergartenplätze. Zu Beginn der Ratssitzung drängte diese Gruppe auch mit auf die Tribüne des Ratssaals und sorgte so für eine lautstarke Kulisse, deren Einfluss recht schnell deutlich wurde. Im Gegensatz zu diversen anderen noch abzustimmenden Tagesordnungspunkten konnte TOP 30, die Senkung der Elternbeiträge, schnell vorgezogen werden – ohne Abstimmung und völlig an jeder Form vorbei, aber zugunsten aller Beteiligten. Schade, dass dies für andere Punkte nicht so einvernehmlich und informell gehandhabt werden konnte.

Die erste Stunde wurde mit der Diskussion um die Tagesordnung verbracht. Schon nach 26 Minuten twitterte Lennart Horing: “Nehme Wetten an, wie lange die Ratssitzung in Bergisch Gladbach heute dauern wird: 2, 3, 4, 5 Std. oder länger?” Es galt drei Anträge noch auf die Tagesordnung zu platzieren. Von Herrn Santillan wurde dazu bemängelt, dass die Anträge nich fristgerecht den Abgeordneten vorgelegen hätten, so dass er diese teilweise noch nicht hätte lesen können. Es ginge ja um 1,2 Mio €. Die Sitzung wurde auf Antrag der Opposition [Kiditative] also für eine fünfminütige Lesepause unterbrochen. Direkt danach fiel Herrn Santillan auf, dass er die Unterlagen wohl nicht vollständig erhalten habe und er sich mit seinen Fraktionskollegen nicht hätte abstimmen können. Eine weitere Unterbrechung von 5 Minuten für interne Gespräche. Für die Gäste auf der Tribüne bot sich hier ein Trauerspiel, welches anschließend durch den Antrag auf geheime Abstimmung hinsichtlich der Änderung der Tagesordnung noch einmal getoppt wurde. Kurz vor 18 Uhr, also 60 Minuten nach Beginn der Sitzung war dann zumindest die Tagesordnung und das Bild der Professionalität mit der im Rat agiert wird schwer beschädigt. Nicht dass hier gegen irgendwelche Regeln verstoßen worden wäre, aber dieses taktieren und Ausloten der Möglichkeiten der Geschäftsordnung war schon peinlich.

Na kurzer Diskussion gedenkt der Rat den Opfern der Katastrophen in Japan. Die Aussagen von Herrn Urbach dazu kommen leider etwas holpernd und ungelenk. Das war er wohl etwas unvorbereitet und versuchte spontan nicht zu abgedroschene Floskeln zu finden.

Vorgezogen wurde nun die Bürgerfragestunde. In rasantem Tempo verlas Bürgermeister Urbach die Anfragen der Bürger und die zugehörigen Antworden. Ehrlich gesagt, ich habe nichts verstanden! Mir lagen als Gast die Anfragen nicht vor, so dass ich bei der vorherrschenden Lautstärke und in dem Tonfall der lästigen Pflicht vorgetragenen Anfragen weder akustisch noch inhaltlich recht folgen konnte. Immerhin bekommen die Fragenden die Antworten noch einmal schriftlich… [Herr Urbach, hier also meine Bitte: Gehen Sie hier bitte etwas anders vor, z.B. langsamer lesen und Frage und Antwort deutlich voneinander trennen. Vielleicht ist ihnen dieser Punkt auf der Tagesordnung lästig, aber das muss man dem Bürger nicht spüren lassen. Diese Kleinigkeit könnte den Respekt den Fragenden und damit allen Wählern und Bürgern gegenüber etwas mehr gerecht werden. Sorry, aber gestern abend haben Sie auf meiner Skala für einen “guten Bürgermeister” durch diese Formalie ein paar Punkte verloren. Hätte nicht sein müssen. Vorschlag: Lassen Sie die Fragen doch durch einen ihrer Stellvertreter verlesen und die Antworten kommen von Ihnen, quasi ein Dialog. Und wenn sich dafür keiner findet, dann lese ich Ihnen die Fragen gerne vor. Politik ist doch 50% Show…]

Die Diskussion um die temporäre Absenkung der Elternbeiträge wurde ebenfalls vorgezogen. Inhaltlich war die Diskussion eher überschaubar, die Argumente die vorgetragen wurden, eher haarsträubend und teilweise deutlich unter dem Niveau, dass ich hier erwartet hätte. Äußerungen wie “In der DDR waren die die Kitaplätze kostenlos. Wir sehen ja, was daraus geworden ist.” Werden mir (auch als Wessi und nicht unbedingt Freund der Linken) bei der nächsten Wahl das ein oder andere Kreuzchen NICHT setzen lassen.

Gut, der Fairness halber gab es auch ein paar Spitzen gekonnter Art, wie (leider wieder gegen die Linken gerichtet) “Sie kämpfen doch sonst immer für die Besteuerung der Reichen, was haben Sie denn nun gegen eine Erhöhung der Elternbeiträge in den oberen Gehaltsklassen?”

Die gestellten Anträge der Opposition werden in der Abstimmung abgelehnt. Die Abstimmung für die halbjährige Senkung erfolgte namentlich. Wow, an dem Abend wird einem ja das volle Programm geboten. Wie nicht anders erwartet wurde die temporäre Rückabwicklung der Erhöhung der Elternbeiträge bis zum Sommer beschlossen. (Hat das eigentlich Methode, dass in der CDU bundesweit, aber auch lokal Entscheidungen nach kurzer Zeit wieder zurückgenommen werden? Gleicht einem Tanz: Drei vor, zwei Rück…) Gleichzeitig wird aber auch ein Arbeitskreis (interfraktionell) in Aussicht gestellt, in dem man das Thema noch einmal ganzheitlich betrachten möchte. Soweit das Zückerchen für die Anwesenden Eltern.

Die Tribüne leert sich. Die Jüngstpolitikinteressierten verlassen den Saal und es kehrt Ruhe ein. Der Rat kehrt zurück zur Tagesordnung. Nach dem Bericht des Bürgermeisters geht es um das zweite Top Thema des Abens: Die Fußgängerzone. Heftige Debatten entbrennen über einen Antrag der SPD. Der favourisierte Stein ist zu dunkel (damit für Sehbehinderte ungünstig), zu groß (nur geringes Gefälle möglich, damit werden Stufen entstehen, also nicht Behindertengerecht) und überhaupt möchte man das Ganze hinterfragen. Die Argumente der Opposition sind teilweise nicht von der Hand zu weisen und haben in manchen Punkten etwas für sich. Die Verwaltung ist ein wenig pikiert und verweist darauf, dass mit der Sanierung in diesem Jahr aus zeitlichen Gründen nicht mehr begonnen werden kann, wenn man jetzt nicht positiv entscheidet. Es kommt zur mit Spannung erwarteten Abstimmung. Auf Antrag natürlich geheim. Herr Metten als potenzieller Lieferant der Steine enthält sich, löblich, auch wenn dies der CDU/FDP Fraktion wohl das Genick brechen könnte. Als der Bürgermeister den Zettel mit dem Ergebnis der Abstimmung erhält sieht man ihm wahrlich an, dass ihm dieses Resultat nicht gefällt: mit 31:30 Stimmen wird gegen die Ausschussentscheidung für den schwarzen Betonstein gestimmt. Damit ist das Thema erst einmal gestoppt. Frenetischer Jubel in der Opposition.

Die nächsten Punkte der Tagesordnung verlaufen eher unspektakulär und man kommt mit dem Abhaken kaum nach. Offensichtlich geht dies den Abgeordneten auch so, denn es kommt zu Fragen zu Themen, die erst später auf dem Programm stehen.

Der Autobahnzubringer wird zum dritten Hauptthema der Sitzung. SPD und CDU haben eine Resolution für den Autobahnzubringer über den Bahndamm erstellt. Einvernehmlich ist bei allen Fraktionen nur die Feststellung, dass etwas in Sachen Verkehrsentlastung, insbesondere für Refrath getan werden muss: “Refrath als verkehrliches Abflussrohr Bergisch Gladbachs” (Wohl wahr!) Doch eine geeignete Lösung des Übels hat niemand parat. Die Grünen legen 15 Puntke gegen die Straße über den Bahndamm vor und fordern eine Stärkung des ÖPNV. Auch sollen die Firmen in Bergisch Gladbach dazu bewegt werden die Bahn mehr zu nutzen. Die Ideallösung wäre wohl “ganz Bergisch Gladbach zu untertunneln”, wie Herr Urbach anmerkt, aber das ist wohl kaum zu realisieren. Die Resolution wird angenommen, wenngleich es auch hier Enthaltungen aus den Reihen der CDU gab.

Einvernehmlich wird die Verwaltung beauftragt ein Glasverbot zu Karneval für Bergisch Gladbach zu prüfen. Die guten Erfahrungen aus Köln und Co. sind hier allen Präsent.

Die Fußgängerzone steht nun neuerlich auf dem Programm. (Warum hat man den Antrag der SPD von zuvor nicht an diese Stelle der Tagesordnung gelegt?) Zahlreiche Wortmeldungen zu dem Thema veranlassen Herrn Urbach zu einem weisen Kompromissvorschlag um in der Sache voran zu kommen: Die Entscheidung über die Pflasterung der Fußgängerzone Bergisch Gladbachs zieht der Rat vom Ausschuss an sich. Um jedoch nicht noch mehr Zeit zu verlieren und nach Möglichkeit noch vor dem Sommer mit den Baumaßnahmen beginnen zu können, wird es hierzu eine Sondersitzung des Rates geben. Die Sitzung wird kurz für Beratungen in der Sache unterbrochen. Die Anschließende Abstimmung verläuft einvernehmlich.

Im Wesentlichen waren dies dann auch die relevanten Punkte im öffentlichen Teil. Gegen 21:30 verabschiedet sich Herr Urbach von der “Öffentlichkeit, soweit sie denn noch da ist…” und der nichtöffentliche Teil geht noch bis kurz vor 22 Uhr. Mit fünf Stunden ein langer Abend für die Damen und Herren des Rates, die mit Schokolade, Keksen und Gummibärchen, bei den Grünen auch (grüne) Weintrauben als “Nervennahrung” überwunden wurden.

Man mag über die Professionalität mit der hier agiert wurde durchaus streiten. Effektiv haben sich gut 10 Ratsmitglieder an dem Abend an den Diskussionen aktiv beteiligt. Erschüttert hat mich dann zunächst doch mehr, dass es Ratsmitglieder gibt, die der Sitzung scheinbar nur eingeschränkt folgen (können). Auch die Äußerungen, die hier insbesondere zwischen Linke und CDU getätigt wurden, entbehrten teilweise jeder Form des guten Tons. Da darf man sich nicht wundern, wenn Zuschauer sich kopfschüttelnd von der Politik abwenden. Also bitteschön: Sachlich bleiben, da haben alle mehr von.

Den Bürgerinnen und Bürgern von Bergisch Gladbach kann ich einen Besuch im Stadtrat nur ans Herz legen. Ich gestehe, dass ich bei der letzten Kommunalwahl etwas naiv und als Bergisch Gladbacher Immi nicht mit allen Namen vertraut kaum gewusst habe, wen ich da mit einem Mandat versehen habe. Das nächste mal weiß ich ganz sicher, wem ich meine Stimme sicherlich NICHT geben werde. Man muss ja nicht viereinhalb Stunden auf der Tribüne sitzen (obwohl, vom Preis-Leistungsverhältnis her gesehen, soviel bekommt man weder in der Kölnarena noch im Müngersdorfer Stadion [ja, ich weiß, die heißen anders…] geboten).

Und ja, Herr Höring, das Eis, dass ich mit meinem Tipp (5 Stunden Ratssitzung) gewonnen habe, hole ich mir ganz bestimmt ab!

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