Der Apple IIe – IT Nostalgie

1992 war das Jahr, in dem ich Abitur gemacht habe und diesem Ereignis gingen drei Jahre voraus, in denen ich nicht nur leidige Schulfächer wie Latein und Französisch endlich abwählen durfte, sondern endlich ergab sich die Möglichkeit auch das Schulfach Informatik zu belegen. Und mit diesem für meine spätere Berufslaufbahn nicht gänzlich irrelevante Entscheidung lernte ich auch einen weiteren Meilenstein der IT kennen: den Apple IIe.

In meinem letzten und ersten Beitrag meiner nostalgischen Erinnerungen an über dreißig Jahre Informationsverarbeitung hatte ich mich mit dem heimischen Commodore 64 befasst. Dieser war unlängst zum reinen Spielecomputer abgestempelt und von zahlreichen anderen Heimcomputern, aber viel mehr von den zumindest im geschäftlichen Umfeld langsam, aber stetig immer mehr vorpreschenden “IBM kompatiblen” PC verdrängt worden. Doch eine kleine Schule konnte damals kaum mit der sich schnell entwickelnden Technologie mithalten. Dennoch waren wir stolz an unserem Gymnasium einen Computerraum mit immerhin rund 10 Apple IIe unser eigen zu nennen.

Der Andrang auf den Informatikkurs in der Oberstufe war gewaltig: Von den rund 80 Schülern der Stufe hatte wohl rund 50 diesen Kurs gewählt, so dass dieser dreifach angeboten werden musste und dann immer noch zwei bis drei Schüler eines dieser Geräte mit schwarz-grün Monitor teilen mussten. Doch es ereignete sich das, was ich vier Jahre später auch an der UNI erneut feststellen konnte: Die Reihen lichteten sich bereits nach wenigen Wochen.

Apple IIe

Apple IIe
Bild: © Allaboutapple / Wikipedia Lizenz: CC by-sa 2.5

Der Apple IIe war nur ein Jahr jünger als der Commodore 64 und 1989 eigentlich schon ebenso längst überholt. Auch waren wir von unseren bunten Computerspielen am C64 gewaltig verwöhnt, denn der Apple IIe in der Schule kam nur mit einem Monitor daher, der außer schwarz nur zwei oder drei durch unterschiedliche Helligkeit unterscheidbare Grüntöne darstellen konnte. Dass der Apple auch richtige Farben darstellen konnte, war uns dank der Standardmonitore nicht bekannt. Dafür hatte der Apple IIe allerdings gleich zwei integrierte Floppy Laufwerke und machte einen wahnsinnig professionellen Eindruck im Vergleich zum Brotkasten.

Hinsichtlich seines Arbeitsspeichers konnte das damalige Erfolgsprodukt aus dem Hause Apple mit ebenfalls 64 KB dem C64 auch keinen Sieg abringen. Ob die technisch mögliche Speicherverdopplung durch eine Erweiterungskarte in den Computern erfolgt war, ist mir nicht bekannt – ich vermute allerdings, dass dem nicht so war.

Erstmals mussten wir uns also nun mit einem neuen Betriebssystem auseinandersetzen, einem DOS (Disk Operating System). Wirklich viel Kontakt mit dem Betriebssystem hatten wir allerdings nicht, denn Lerninhalt war das Programmieren. Jeder Schüler musste neben einem klassischen Schulheft auch eine 5,25″ Floppy Disk

mitbringen auf der dann die Zwischenstände der Programmierung abgespeichert werden konnten. Somit jonglierten wir an einem der Computer immer mit drei Disketten: Die erste Diskette beinhaltete das Betriebssystem und konnte nach dem Laden entfernt und gegen die Floppy mit dem Compiler ausgetauscht werden. Im zweiten Laufwerk (Laufwerk B:) des Apple IIe lag dann die eigene Diskette mit den geschriebenen Programmen.

Ein nicht unerheblicher Zeit der Schulstunden vergingen damit, dass der Lehrer die Geräte in Gang bringen musste. Meldungen wie “mein Computer funktioniert nicht” waren an der Tagesordnung und in den meisten Fällen lag es nur an einem scherzhaft auf die niedrigste Einstellung gedrehter Helligkeitsregler am Monitor oder einer falschen Diskette im Laufwerk. Aber auch die Diskettenlaufwerke und Floppys selber hatten ihre Macken und so mancher Startvorgang musste mehrfach wiederholt werden. Schnell hatte man also den Dreh raus und wusste welches Gerät am zuverlässigsten war und damit der Run auf das entsprechende Modell groß.

Gut in Erinnerung habe ich auch noch die zähe Tastatur des Apple IIe. Dadurch, dass sie (wie im Bild zu sehen) fest im Gehäuse des Computers integriert war und Diskettenstation und Monitor darauf standen, war ein ergonomisches Arbeiten nur eingeschränkt möglich. Dafür konnte man nun aber sehr gut zwischen Groß- und Kleinschreibung unterscheiden.

Dass mit dem innovativen Unternehmen Apple heute einer der letzten Pioniere der Computerzeit noch am Markt aktiv ist, hätten wir uns seinerzeit nicht vorstellen können, denn für uns waren die Computer an der Schule dann doch schon veralteter Kram.

De Egsberde

Eines Tages klebte dann ein Warnschild an der Türe zum Computerraum der Schule:

Achdung – Gumpjuderraum
Dieser Raum is voll bis under die Degge mit den dollsden und deiersten ellegdrischen und vullelegdrohnischen Abbarahde.

Stune und Gugge derf jeder, awer rumworschdeln und an deGnebbschens rumdrigge, des derfe nur mir,

DE EGSBERDE!

Dies war nicht das letzte mal, dass ich mit einem ganz besonderen Sinn für Humor in der Welt der EDV in Kontakt geraten bin.

Turbo Pascal

Lerninhalt war am Apple IIe das Programmieren mit Turbo Pascal, einer Programmiersprache, die mich dann auch noch sehr lange begleitet hat. Anders als mit BASIC auf dem C64 boten sich auf einmal völlig neue Möglichkeiten. Aber zunächst einmal musste man damit klarkommen, dass Programmzeilen keine Nummern mehr hatten. Ein GOTO 10 war nun zum einen nicht mehr so ohne weiteres möglich und zum anderen auch noch verpönt. Dafür gab es nun Prozeduren und nervige Programmstrukturen wie BEGIN und END, aber alles in allem eine moderne Programmiersprache, deren Elemente sich auch in den heutigen Sprachen so oder so ähnlich wiederfinden. Aber ein gänzlich neuer Ansatz war, das Programme nun erst einmal compiliert werden mussten, bevor man sie starten konnte.

Nachdem also die erste Floppy beim Bootvorgang gelesen und die zweite Diskette eingelegt worden war, konnte man die Programmierumgebung Turbo Pascal durch Aufruf des Programms TURBO starten.

$I nici.inc

Um das erlernen der Programmierung noch einfacher für Schüler zu machen, wurden wir mit NICI bekannt gemacht. NICI sei ein Roboter, der nur eine geringe, aber dafür ausreichende Zahl an Befehlen kannte wie

  • Gehe vor
  • Drehe links
  • Teste vorne
  • Nimm auf
  • Lege ab

Dazu gab es dann eine Reihe von Aufgaben, wie das Durchlaufen eines Labyrinths oder das bestücken einer Kiste mit Getränken. Alles war natürlich nur “virtuell” (ein Begriff, den wir damals noch nicht hatten) und spielte sich auf dem Bildschirm ab. NICI war dabei ein Pfeil, der in vier Richtungen zeigen konnte und sich entsprechend über den Bildschirm bewegen konnte. Steuerte NICI dabei gegen eine Wand, war die Aufgabe gescheitert, wurden nicht alle Fächer in der Kiste befüllt, ebenso.

Zunächst musste man also eine Lösung finden, wie man einem Roboter, der sich nur nach links drehen kann, eine Bewegung nach rechts beibrachte. Gut, drei mal nach links gedreht, entspricht einer Drehung nach rechts. Einfach. Ferner mussten also vor einer Bewegung im unbekannten Gelände immer zunächst ein Test ausgeführt werden, ob vor dem Roboter nicht zufällig eine Wand war.

Die Algorithmen um dann tatsächlich alle Flaschen einzusammeln oder noch vor Schulschluss den Roboter auf dem Apple IIe automatisch aus dem Labyrinth zu führen, waren dann die größeren Herausforderungen.

NICI hat den Apple IIe noch lange überlebt und ist wohl auch noch in der PC Generation zu Einsatz gekommen. Ich für meinen Teil verdanke NICI auch einige der besten Gesichtsausdrücke meines damalige Informatiklehrers.

$I nici.spc

Zu Beginn unserer Programme mussten wir immer die Zeile

$I nici.inc

angeben. Wozu diese gut war, wurde uns nicht erläutert. Doch schon bald hatte ich den Sinn und Zweck identifiziert: $I war eine Anweisung für den Compiler (das Programm, das unseren Programmcode in Maschinensprache übersetzt hat) eine weitere Datei (in diesem Fall nici.inc) ebenfalls zu lesen und zu übersetzen. In der nici.inc Datei befanden sich die Funktionen für den Roboter, die wir in unseren Programmen aufrufen konnten (Gehe vor, Drehe links, etc.).

Um einen größtmöglichen Lerneffekt zu erzielen, mussten wir unsere Programme bei jeder Aufgabe von neuem beginnen. Bereits erstellte Prozeduren konnten wir nicht aus vorhergehenden Programmen übernehmen. Ein vernünftiges Copy&Paste über Dateien hinweg war uns auch nicht bekannt.

Doch da mir dies zu umständlich war, ich nun einmal die Funktionsweise des Inkludierens von anderen Bibliotheken mit der $I Anweisung kannte und nici.inc im Quellformat vorlag, erstellte ich kurzerhand eine überarbeitete Version: nici.spc (spc für special). Diese beinhaltete dann alsbald nicht nur die Anweisung für “Drehe rechts”, “Gehe schlau vor” und “Gehe vor bis zur Wand”. Als sich der Lehrer dann eines meiner fertigen Programme ansah und keine Deklaration der Funktionen für “Drehe rechts” und Co. finden konnte, war er überzeugt, dass das Programm nicht funktionieren konnte. Ein Probelauf ließ ihn völlig verdutzt dreinschauen. Die zwei veränderten Buchstaben in der Inklusionsdirektive $I nici.spc waren ihm nicht aufgefallen.

Spaßeshalber gab es bei einer anderen Aufgabe folgende Lösung

$I nici.spc
PROGRAM UniversalRoboter;
BEGIN
  LoeseDieAufgabe();
END;

Natürlich waren alle relevanten Programmteile dann im nici.spc versteckt.

Meine um zahlreiche Funktionen erweiterte nici.spc war bei den Mitschülern äußerst begehrt und letztlich vom Lehrer dann auch akzeptiert. Das Grundverständnis für “Drehe rechts” hatten wir ja zwischenzeitlich auf dem Apple IIe ausreichend gewinnen können und die Zeiten mit NICI waren eh bald vorbei.

Nenn es doch einfach Turbo

Eine andere Episode aus meiner Apple IIe Zeit in der Schule. Ein Programmcode ist eine gewöhnliche Textdatei und wie alle Dateien bedarf diese auch eines Namens. Auf dem Apple DOS (oder war es Apple ProDOS?) galt die damals übliche 8.3 Notation. Diese besagt, dass ein Dateiname maximal acht Zeichen lang sein darf und dann noch eine bis zu drei Zeichen lange Erweiterung erhält. AUFGABE1.PAS wäre ein passender Dateiname für den Quelltext einer Turbo Pascal Datei, wobei das .PAS in der Regel von der IDE (Integrated Development Environment – Dateieditor mir direkter Verbindung zum Compiler) beim Speichern der Datei automatisch angehangen wird.

Wurde die Datei dann compiliert, also in Maschinenbefehle übersetzt, die der Computer direkt versteht, wurde das Ergebnis in einer Datei mit Namen AUFGABE1.COM gespeichert und kann dann mit AUFGABE1 von der DOS Oberfläche aus gestartet werden.

Die Wahl des Namens für ein Programm ist nahezu beliebig und gerade diese Freiheiten sind die größten Blockaden für den ein oder anderen Menschen. Einer meiner damaligen Mitschüler wollte von unserem leidgeprüften Lehrer wissen, wie er denn sein Programm nennen solle. Scherzhaft schlug ich ihm vor, er könne es doch einfach TURBO nennen.

Als derselbe Schüler sich meldete und sich beklagte, dass sein Computer nicht mehr funktioniere, musste ich feststellen, dass dieser meinen Vorschlag tatsächlich realisiert hatte…

Was war passiert? Der Quellcode des Programms meines Mitschülers war von ihm in der Datei TURBO.PAS gespeichert worden. Mit dem compilieren wurde nun die Datei TURBO.COM erzeugt und überschrieb ältere Dateien mit gleichem Namen. Als er nun Turbo Pascal (TURBO.COM) wieder starten wollte, wurde nicht die IDE geladen, sondern nur sein Programm ausgeführt. Es gab schon einen guten Grund, warum unsere Programme auf einer anderen Diskette (im Laufwerk B:) gespeichert werden sollten.

Insgesamt waren es wohl kaum mehr als 12 Monate, die ich mit dem Apple IIe verbringen durfte, bevor die Schule dann mit einer kleinen Finanzspritze nicht nur einen neuen Computerraum, sondern auch 16 moderne PC’s anschaffen konnte. Doch dies ist eine andere Episode, die ich zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen möchte.

Hat jemand noch einen Apple IIe und läuft dieser möglicherweise noch? Wer erinnert sich noch an das unvergleichliche Knurren und Rattern, wenn man auf ein Laufwerk ohne eingelegte Diskette zugegriffen hatte? Gibt es NICI noch und hat der virtuelle Roboter zwischenzeitlich selber gelernt sich nach rechts zu drehen? Ich freue mich über Kommentare rund um das Thema Apple IIe, NICI und Turbo Pascal auf dieser Seite!

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