Gelegentlich korrigiere (mittlerweile lektoriere) ich auch mal das ein oder andere Werk. Interessant dabei ist der Effekt, dass man auf einmal an sich selbst zu zweifeln beginnt, wenn Wörter oder Redewendungen im vorliegenden Text auftauchen, über deren korrekte Handhabung und Schreibweise auf einmal selber nicht mehr so recht sicher ist. Faktisch habe ich weder Germanistik studiert noch eine besonders gute Note in meinem vierten Abi-Fach (Deutsch) gehabt, doch Rechtschreibfehler waren eher selten der Auslöser für Punktabzüge.
Bei meinem aktuellen Lektorat bin ich auf einige Fragen der deutschen Sprache gestoßen, denen ich noch einmal genauer nachgehen wollte (musste). Dazu gebe ich dann noch meinen Aufreger Nummer 1 in heutigen Posts und schon habe ich vier Gründe für einen Blogbeitrag mit pädagogischem Wertbeitrag. Hinsichtlich des Beitragstitels sollte damit nun also keine Befürchtung bestehen, dass ich nun unter die Legastheniker gegangen sei.
seid/seit
Mit zunehmender Häufung stoße ich in Kommentaren auf Facebook und Co., aber gelegentlich auch schon einmal in gedruckten Werken auf die Verwechslung der Worte “seid” und “seit”. Der unterschied liegt bei 25% (hinsichtlich der Buchstaben), vermutlich bei noch weniger hinsichtlich des Klangs, aber zu 100% in der Bedeutung. Während das eine Wort ein Verb (Tuwort) ist, ist das andere eine Konkretisierung einer Zeitangabe.
“Ihr seid klüger, seit ihr ‘seid’ und ‘seit’ korrekt verwendet.”
sein: ihr seid
Das Verb ‘seid’ ist eine Pluralform (Mehrzahlform) von ‘sein’: ich bin, du bist, er/sie/es ist, wir sind, ihr seid, sie sind.
Als kleine Eselsbrücke mag hier der Hinweis dienen, dass alle Pluralformen des Verbs ‘sein’ mit einem ‘d’ enden: sind, seid.
seit einer Zeit
Das Wort ‘seit’ hingegen bestimmt eine Zeitspanne näher, bzw. den Beginn einer Zeitspanne, um es genauer zu fassen: Seit Anbeginn der Schrift verzeichnet man Schreibfehler. Seit gestern, seit 12 Uhr, seit meiner Geburt.
Auch hier eine Eselsbrücke: seit (gefolgt von einer Zeitangabe) schreibt man wie Zeit, insbesondere mit einem ‘t’ am Ende.
Die drei anderen Fälle betreffen die Groß- und Kleinschreibung von Worten.
bescheid/Bescheid
Der einfachste Fall betrifft das Wort ‘Bescheid’. Allgemein kennt man zwei Verwendungen: Entweder erhält man einen Bescheid (mit Artikel; z.B. den Steuerbescheid), also ein schriftliches Dokument, oder jemand sagt oder gibt Bescheid (ohne Artikel; in der Regel eine mündliche Mitteilung).
In beiden (und damit allen) Verwendungsarten wird das Wort ‘Bescheid’ großgeschrieben.
Bescheid geben, Bescheid sagen, Bescheid erhalten… angenehm einheitlich.
recht/Recht
Etwas komplexer verhält sich die Sachlage in Bezug auf die Groß- und Kleinschreibung des Wortes ‘recht’.
Zunächst einmal – und das ist der vermutlich unstrittige Fall – gibt es ‘das Recht’, also die Gesetzeslage. Da es sich hierbei um ein Substantiv (erkennbar an dem Artikel ‘das’) handelt, ist die Großschreibung auch klar erkennbar. Ebenfalls großgeschrieben wird das Wort selbstverständlich zu Beginn eines Satzes.
Doch wie sieht es mit dem ‘recht haben’ aus? Wenn ich ‘im recht’ bin oder ‘Recht spreche’?
Hierzu muss man unterscheiden, ob das ‘Recht’ im Sinne eines Gesetzes zu verstehen ist oder ob es eine Aussage im Sinne von richtig oder falsch ist. Ich habe ‘recht’, wenn ich behaupte, dass 1+1 = 2 ist. Andererseits habe ich das ‘Recht’ auf freie Meinungsäußerung. Da diese Unterscheidung vermutlich zu kompliziert, oder in manchen Fällen auch durchaus schwer zu unterscheiden sein mag, ist bei ‘recht’/’Recht’ bekommen, behalten, geben, haben, getan die Groß-/Kleinschreibung beliebig.
Unglücklicherweise existieren dann allerdings wiederum drei Formulierungen, in denen das ‘recht’ zwingend kleingeschrieben wird: ‘Du hast ja so recht!’, ‘Wie recht er hat’ und ‘Wir haben völlig recht’. In diesen Fällen bezieht sich das Wort ‘recht’ immer auf seine Herkunftsform ‘richtig’ und muss damit kleingeschrieben werden.
Möglicherweise hilfreich ist hier das temporäre Einfügen eines Artikels:
Ich habe das Recht gehabt. (Ich durfte Wählen gehen.)
oder
Ich habe recht gehabt. (Meine Voraussage ist eingetroffen.)
Wenn der Satz mit Artikel “Sinn” macht, dann ist eine Großschreibung angeraten. Klingt der Satz ohne Artikel “richtiger”, dann ist die Verwendung der Kleinschreibung rechtens.
Apropos:
- rechtens – immer kleingeschrieben
- rechts – immer kleingeschrieben, aber
- der/die/das Rechte – wird immer großgeschrieben
Sie/sie, bzw. Du/du
Den kniffligsten Fall habe ich mir zum Schluss aufgehoben, vor allem einen, den ich selber oft genug falsch gemacht habe. Doch nun weiß ich Bescheid und seither mache ich mache ich es allen recht.
Das ‘Du’, bzw. ‘Sie’ wird generell kleingeschrieben, es sei denn, es steht am Anfang eines Satzes, oder ich verwende es als Autor eines Schriftstücks (zum Beispiel einen Brief) und spreche damit explizit den Leser an:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erinnere Sie daran, dass Sie uns Ihre Groß-/Kleinschreibung noch einmal erläutern wollten.
Damit sind auch schon alle Fälle der Großschreibung abgeschlossen, wäre da nicht noch die wörtliche Rede.
In einer wörtlichen Rede, also beispielsweise in einem Buch, in dem die handelnden Figuren miteinander reden, wird das ‘Sie’ groß, aber das ‘du’ kleingeschrieben:
“Ich wollte dir zum Geburtstag einen Duden schenken, aber du hattest ja schon einen”, sagte Petra zu Markus.
jedoch
“Ich wollte Ihnen den Unterschied aufzeigen”, sagte er, “damit Sie zukünftig diesen Fehler nicht mehr machen brauchen.”
Ein sehr hilfreiches Werk zu Themen wie den hier vorgestellten, stellt der Band 9 des Dudens dar: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle . Für Wortklauber und Korinthenkacker wie mich eine Fundgrube des (nicht nur) nutzlosen Wissens, in dem auch feine Unterschiede zwischen Begrifflichkeiten dargelegt werden, die in der allgemeinen Sprachverwendung zu oft vernachlässigt werden.
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