Wortklauberei: Der Konjunktiv des Vorstellbaren

Da habe ich doch fast das Lenkrad verrissen, als ich unterwegs einem Podcast lauschte und mir diese Floskel erneut ins Ohr drang. Es handelt sich um eine zunächst gültige Aussage und allzu gebräuchliche Redewendung. Ergänzt wird diese allerdings mit einem tückischen Konjunktiv um dem Satz einen vorsichtigen und damit eher höflichen Zug zu geben, der die Aussage dann jedoch in sprachlichen Nonsens verwandelt. Gemeint ist die Aussage:

“Das könnte ich mir vorstellen.”

Die Vorstellungskraft

Der Mensch ist – und damit grenzt er sich gerne selber von einer Vielzahl anderer Lebewesen ab – in der Lage sich Dinge oder Ereignisse vorstellen zu können. Rein mit der Kraft der Gedanken produziert er Bilder (oder auch Klänge, manch einer gar Gerüche) in seinem Kopf, die auf Erfahrungen und Erinnerungen basieren. Damit ist der Mensch sogar in der Lage gänzlich neue Zusammenhänge zu generieren, die nicht den Naturgesetzen entsprechen müssen. Die Kraft der Vorstellung ist dabei diejenige, die unsere Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Mag die Entdeckung des Feuers noch ein reales, wenngleich wohl eher zufälliges Ereignis gewesen sein, so sind die Feststellungen und Entdeckungen von Newton, Einstein und Co. dann wohl doch primär rein geistiger Natur. Besonders Albert Einstein war jemand, der gerne auch auf die Methode eines Gedankenexperiments zurückgegriffen hat. Bei einem Gedankenexperiment stellt man sich gewisse Zusammenhänge vor und leitet daraus Konsequenzen oder Schlussfolgerungen ab. Dies bietet sich bei Fragen und Techniken an, die nicht oder noch nicht unter Laborbedingungen nachgestellt werden können. Selbstverständlich kann man durch die menschliche Fehlbarkeit dabei auch Fehler machen und dadurch mit den Resultaten Schiffbruch erleiden.

Wir als Menschen sind also in der Lage uns Vorstellungen zu machen. Mit einem einfachen Versuch kann man darüber hinaus zeigen, dass wir darüber hinaus auch noch nicht in der Lage sind uns benannte Sachen oder Zusammenhänge NICHT vorzustellen. Ein beliebtes Beispiel dafür ist der Versuch sich einen rosafarbenen Elefanten nicht vorzustellen. Sobald der Mensch diese Aufgabe benannt bekommen hat, stellt er sich den Dickhäuter in Tüll vor – unabhängig davon, ob dies real existent oder möglich ist, oder nicht. Wir sind nur in der Lage uns Sachen oder Ereignisse nicht vorzustellen, solange diese nicht benannt sind.

Nashorn
Bild: © Maddox74 / Pixabay

Der Konjunktiv

Der Konjunktiv ist eine besondere Form in der Grammatik mit der in der Regel eine Möglichkeit eines Zusammenhangs dargestellt wird. “Ich könnte zum Sport gehen” ist dabei sicherlich eine sehr häuftig angewandte Form des Konjunktivs, insbesondere da letztlich von der beschriebenen Möglichkeit dann doch kein Gebrauch gemacht wird. Das “könnte” ist dabei eine Verschärfung der Darstellung des Könnens. “Ich kann zum Sport gehen” ist eine Fakt, eine Tatsache die lediglich das grundsätzliche Können, also die Fähigkeit etwas zu tun beschreibt. Der Konjunktiv geht dabei noch darüber hinaus, denn er beschreibt nicht nur die Tatsache der Fähigkeit etwas tun zu können, sondern auch Möglichkeit der Absicht dies auch zu tun – oder zu lassen. Gerne wird der Konjunktiv auch noch durch eine Ergänzung des Satzes mit einer “wenn” Sequenz näher begründet: “Ich könnte zum Sport gehen, wenn die Couch nicht so bequem wäre.”

Wir haben also auf der einen Seite nicht die Fähigkeit und das, was wir uns vorstellen können, nicht vorzustellen. Damit haben wir auch nicht die Möglichkeit uns dieses nicht vorzustellen.

Die Aussage “Ich könnte in den Zoo gehen” bedeutet, dass ich technisch in der Lage bin den Zoo aufzusuchen und dies dann auch mache oder aber auch nicht.

Die Aussage “Ich kann mir ein Nashorn mit Feenflügeln vorstellen” bedeutet letztlich zwangsweise auch, dass ich mir (spätestens wenn die diese Aussage tätige) ein Nashorn mit Feenflügeln vorstelle.

Feenflügel
Bild: © faydae / Pixabay

Die Aussage “Ich könnte mir ein Nashorn mit Feenflügeln vorstellen” bedeutet dann, dass ich technisch in der Lage bin mir dieses merkwürdige Gebilde vorzustellen, dies auf Grund der besonderen Fähigkeit des Vorstellens dann aber auch zwangsweise (spätestens in dem Moment in dem die Aussage getätigt wird) mache und nicht die Wahl habe es nicht zu tun. Damit ist der Mensch nicht in der Lage die zweite Option des Konjunktivs (nämlich die Nicht-Möglichkeit) zu nutzen und der Konjunktiv damit technisch gesehen hinfällig. Faktisch ist damit die Aussage “Ich könnte mir ein Nashorn mit Feenflügeln vorstellen” gleichzusetzen mit “Ich kann mir ein Nashorn mit Feenflügeln vorstellen.”

In der Realität wird der Konjunktiv mit der Vorstellungskraft jedoch seltener im Zusammenhang mit daherfliegenden oder pinkfarbenen Dickhäutern verwendet, sondern mit vielmehr realen Gegebenheiten. “Ich könnte mir einen Urlaub unter Palmen vorstellen” ist dabei zum Beispiel der vorsichtige Versuch den Aktivurlauber von einer anderen Art des Urlaubs zu überzeugen. Tatsächlich hat die Person, die diese Aussage tätigt, die Vorstellung bereits längst hinter sich gebracht. Es gibt auch keine nachvollziehbare Bedingung, mit der der Satz erweitert, bzw. eingeschränkt werden könnte. Die eigentliche, klare Aussage hinter diesem Satz lautet: “Ich möchte einen Urlaub unter Palmen machen” oder, wenn denn schon ein Können bewiesen werden muss und lediglich eine Aussage in den Raum gestellt werden soll: “Ich kann mir einen Urlaub unter Palmen vorstellen.”

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