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Sterne als Bewertungseinheit bei Rezensionen

Zunächst gab es sie für Köche und Hotels, dann haben sie sich plötzlich überall wie eine Seuche verbreitet: Sterne als Bewertungseinheit für Produkte jeglicher Art – mit allen Konsequenzen.

Vor rund zwei Wochen hatte ich in meinem Beitrag über den Umgang mit Rezensionsexemplaren angedeutet, dass ich zwar auch dazu übergegangen bin mein abschließendes Urteil in eine fünfstufige Skala einzubetten, dies aber dennoch als vollkommen ungeeignet betrachte. Daran hat sich auch nichts geändert und Patricia, die Organisatorin der Follow Friday Blogaktion, pflichtete mir in dieser Ansicht bei und hat dies sogleich aufgegriffen um hieraus eine neue Frage zur Diskussion zu stellen:

Sternevergabe bei Rezensionen – Sinn oder Unsinn?

Dieser Frage komme ich dann nun mit diesem Beitrag gerne bei und muss gestehen, dass ich möglicherweise etwas das Thema verfehle, wenn ich nach ein wenig Theorie einen Vorschlag unterbreite, wie die “Sterne” denn aussehen könnten.

Zur Theorie der Skalen

Ein Urteil fällt normalerweise in zwei bis vier Kategorien aus. Im Idealfall ist es binär: positiv oder ablehnend. In manchen Fällen bleibt aber auch nur der Griff zu einer unentschlossenen oder gar keiner Meinung. Letzterer Fall ist für einen Rezensenten durchaus zulässig, wenn er ein Produkt zwar vorstellen möchte, aber aus Befangenheit oder fehlendem Sachverstand sich einer konkreten Einstufung enthält. Ich für meinen Teil könnte mich vermutlich über das Erscheinungsbild eines Fachbuchs zur Nuklearmedizin zwar hinlänglich äußern und sicherlich auch die Zahl der Rechtschreibfehler hinlänglich gut ermitteln, doch ein konkretes Urteil darüber, ob der Inhalt gut oder schlecht ist, läge jenseits dessen, was ich mir zutraue.

Eine unentschlossene Meinung ist, also die exakte Mitte einer jeden Skala, ist für mich ebenfalls der absolut allerletzte Ausweg bei einer Bewertung. So gesehen bevorzuge ich an und für sich für die Meinungsrepräsentation eine Skala mit gerader Anzahl an Werten, also ohne Mitte. Das Schulnotensystem (so sehr ich auch hier auf anderer Ebene meine Probleme damit habe und die umgekehrte Reihenfolge ebenso ein Problem darstellt) ist mit der Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) eine recht gute Wahl, die in jedem Fall eine klare Aussage, zumindest jedoch eine Tendenz erzwingt.

Ob eine Skala nun durch ganze Zahlen (1, 2, 3, 4, …) oder reelle Zahlen (Kommazahlen) mit einer festgelegten Anzahl an Nachkommastellen (in der Regel eins oder zwei) unterteilt wird, macht technisch gesehen keinen Unterschied. In beiden Fällen ist die Anzahl der möglichen Werte für eine Bewertung begrenzt. Dies gilt auch für die Grenzen der Skala, also dem kleinsten und größten Wert. Für die Aussage ist es unerheblich, ob die null, die eins oder die 27 der niedrigste Wert der Skala ist, solange denjenigen, die die Bewertung verstehen und einschätzen sollen, die Grenzen der Skala bekannt sind.

Über die Jahrhunderte haben sich allerdings in den Köpfen der Menschen ein paar Skalen eingebrannt, die uns täglich begleiten und dementsprechend auch beeinflussen. Prozentwerte (0 – 100 %) sind und geläufig, ebenso wie 0 – 10. Bei diesen Skalen treten die geringsten Missverständnisse auf, denn die null wird gemeinhin als der niedrigste Punktewert verstanden. Während man auf einer Skala von 17 bis 3 die Lage des Wertes 9 erst einmal mühsam einordnen muss (es ist knapp oberhalb der Mitte), ist dies bei den herkömmlichen Skalen mit einem Blick klar.

Die Reihenfolge der Werte in der Skala sollte auch nicht unterschätzt werden. Das natürliche Empfinden sagt, höhere Werte = besser (Punktesystem). Die umgekehrte Reihenfolge (niedrige Werte = besser) eignet sich für eine Rangfolge (1. Platz, 2. Platz, etc.) bei dem dann allerdings auf gleiche Platzierungen möglichst verzichtet werden sollte. Rangfolgen haben zudem das Problem, dass sie nur auf eine abgeschlossene Menge verwendet werden können. Vergleiche ich 10 Produkte miteinander, kann ich diese in eine Rangfolge bringen. Taucht dann irgendwann ein elftes Produkt auf, wird es haarig, denn die Platzierung der anderen Produkte kann sich dann verschieben. (Dies ist im übrigen ein Problem, das von Seiten der Politik z.B. im Zusammenhang mit den Kennzeichnungen der Elektrogeräte hinsichtlich ihres Energieverbrauchs A, B, C, D, E immer wieder bereitet wird und dann mit A+, A++, A+++, A++++, etc. gelöst werden muss.)

Die Einheit der Sterne

Für eine Meinung existiert meines Wissens keine vernünftige Einheit für die Werte der Skala. Längen gibt man in Meter an, Gewicht in Gramm und Erdbebenstärken in Richter. Für die Einschätzung der Qualität eines Produkts haben sich Sterne etabliert. Doch dies hat einen psychologischen Nebeneffekt, der auch bei vielen Rezensionen zu schlechten Produkten zu lesen ist: Der Rezensent möchte gerne keinen Stern für das Produkt vergeben. Amazon und Co, die ihre Skalen bei eins beginnen lassen, vergeben damit auch dem schlechtesten Produkt mindestens einen Stern. Auch wenn der eine Stern faktisch der null entspricht, ist dies in den Köpfen anders vorbesetzt. In der ursprünglichen Sternebewertung für Hotels und Restaurants gibt es nämlich auch die Kategorie null Sterne, wenngleich diese zwei Gruppen zusammenfasst: diejenigen, die noch nicht begutachtet wurden, und die, die bei der Bewertung durchgefallen sind.

Für mich folgt daraus, dass eine vernünftige Skala in jedem Fall bei null beginnen muss und noch nicht bewertete Produkte gesondert gekennzeichnet werden sollten um sie nicht mit dem Schandfleck der null Sterne zu brandmarken. Für Rezensenten ist dies allerdings kein Problem, denn in dem Moment, in dem sie eine Rezension verfassen, ist das Produkt ja auch schon bewertet.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Timberwere

    Hui. Was für ein ausführlicher Artikel und was für ein interessanter Ansatz!
    Ich selbst rezensiere ja nicht, aber wow. Eine Rezension, die nach diesen Kriterien verfasst ist, hat meines Erachtens nach absolut Hand und Fuß. Sehr cool!

  2. Vi @Inkvotary

    Holla die Waldfee, das war jetzt aber ein Stück zum Lesen *lach*
    Aber absolut toll geschrieben. Die Verbindung von Hotel und Küche zur Rezension hab ich persönlich noch nie gezogen, aber im Hinblick auf Sternebewertung, ein sehr interessanter Ansatz.
    Ich merke schon, so einige legen in ihren Rezensionen Kriterien dar, die ich im Grunde gar nicht SO sehr einfließen lasse. Zwar werden die durchaus bemerkt, wie Cover, Fehlervorkommen etc. und an entsprechender Stelle dann auch mitgeteilt, aber in der Rezension selbst findet man die nicht unbedingt. Zumindest nicht explizit mit Sternen (welcher Art auch immer) bewertet.

    Ist schon interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Leute die Sternevergabe betrachten. Und das mein ich jetzt absolut postiv.

    Beste Grüße
    Vi @Inkvotary

    1. Michael L. Jaegers

      Hallo Vi,

      danke für Dein Feedback.

      Dass der Bezug zu den Hotel- und Restaurantbewertungen nicht gezogen wurde, überrascht mich wirklich. Vielleicht ist das auch in den Branchen heute nicht mehr so relevant.

      Interessant ist die unterschiedliche Sichtweise wahrlich, wenngleich dies dann (zumindest bei mir im Rahmen dieser Diskussion) auch die Frage aufwirft, wie vergleichbar dann die einzelnen Einschätzungen sind. Letztlich bleibt dann nur das geschriebene Wort der Rezension, bei der dann die Begründung für die jeweilige Bewertung mitgeliefert wird.

      Schönen Gruß,

      Michael

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